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Die Pellinor Saga Bd. 3 - Die Krähe

Die Pellinor Saga Bd. 3 - Die Krähe

Titel: Die Pellinor Saga Bd. 3 - Die Krähe
Autoren: Alison Croggon
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wurdest nicht getötet. Du bist hier, entgegnete Nyanar. Ich sagte, du sollst dich daran erinnern, was in den Winden der Zeit geschrieben steht… Obwohl du Recht hast: Die Zeit hat unendlich viele Gabelungen, und niemand vermag wahrhaft vorherzusagen, was kommen wird. Es gibt unzählige verschiedene Zukünfte und Vergangenheiten, und unsere Gegenwart ist nur ein winziger Angelpunkt, der sie alle verändert … Und hast du etwas aus den vergifteten Landen mitgebracht? Überrascht starrte Hem den Elementar an und stammelte: »Ja … Ja, das habe ich … War auch das vorhergesagt?« Er fingerte an der Kette um seinen Hals und holte die kleine Stimmgabel aus Messing hervor, die Irc aus dem Ehernen Turm gestohlen hatte. Hem hielt sie hoch. Sie drehte sich an der Kette, und das Licht fing sich in der stumpfen Oberfläche.
    Dabei lief ein eigenartiger Ausdruck über Nyanars Gesicht: teils Furcht, teils Abscheu, teils Sehnen, teils Qualen. Er schloss die Augen, als müsste er sich sammeln, dann öffnete er sie wieder.
    Du hast das Lied, sprach er schließlich.
    Hems Mund klappte auf. »Ich habe - was?«
    Das Lied, das gestohlen wurde. Mein Lied.
    Unwillkürlich streckte Hem den Messinggegenstand Nyanar entgegen. »Wenn es dir gehört«, sagte er, »dann musst du es nehmen.«
    Der Elidhu zuckte zurück, als hätte Hem ihm einen lodernden Ast ins Gesicht gestoßen. Nein, widersprach er heftig. Ich rühre dieses Ding nicht an. Es ist eine Abscheulichkeit. Hem betrachtete die kleine Stimmgabel, die harmlos von der Stahlkette hing, dann schaute er zurück zu dem Elidhu. Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber ihm fiel nichts ein, und er schloss ihn wieder.
    Eine Abscheulichkeit, wiederholte der Elementar. Etwas Zerbrochenes, für widerwärtige Zwecke Entstelltes.
    »Was soll das heißen?«, fragte Hem völlig verdutzt.
    Ich weiß, was diese in das Metall geschnittenen Dinge sind. Spürst du nicht die Qualen in ihnen ?
    Abermals starrte Hem auf die Stimmgabel und begriff, dass Nyanar die eingravierten Runen meinte. Sein Herz begann, schmerzlich zu hämmern. Er glaubte, auf schemenhafte, ungewisse Weise zu wissen, wovon Nyanar sprach: In jenen Runen schlummerte eine Macht, und bei näherer Betrachtung schmeckte sie nach Verderbtheit…
    Dann ertönte in seinem Geist wieder die Musik, allerdings stärker als zuvor, fast so überwältigend, wie sie in Nal-Ak-Burat gewesen war, als Nyanar, der Baummann, sich vorgebeugt und sie in Hem gehaucht hatte. Hem schloss die Augen und spürte, wie die Woge der Musik ihn emporhob. Aber diesmal schwangen darin Worte mit; und Hem wurde kein Teil von ihr, sondern lauschte von außen in einem stillen Raum mit ganzem Wesen; und es fühlte sich an, als würden die Worte, die der Elidhu sang, in sein Herz graviert.
     
    Ich bin das Lied der sieben Zweige
    Ich bin die hochschäumende Gischt und die Wasser darunter
    Ich bin der Wind und was vom Wind getragen wird
    Ich bin die Rede des Lachses in dem eisigen Teich
    Ich bin der Saft, der den blattlosen Zweig aufrichtet
    Ich bin die Stimme des Jägers, die durch das Tal hallt
    Ich bin der Mut der verzweifelten Hindin
    Ich bin der gehortete Honig in dem verlassenen Stock
    Ich bin die sich endlos brechenden traurigen Wellen
    Die Saat des Kummers schläft in meiner Dunkelheit und die Saat der Freude
     
    Die Musik endete, und ihre letzte Note verhallte in Hems Blut. Einen Herzschlag oder eine Ewigkeit lang - Hem vermochte es nicht zu sagen - herrschte völlige Stille. Er hörte gar nichts, nicht einmal den Wind oder die leisen Geräusche seines eigenen Körpers. Das Lied wurde in Zeichen geschmiedet, erklärte der Elidhu verbittert. Und diese Zeichen haben es verschlungen und seine Bedeutungen zerbrochen, sodass nichts mehr heil ist. Und seither sind auch die Elidhu zerbrochen…
    Hems Hand sank. Die Stimmgabel fühlte sich plötzlich schwer an, fast zu schwer, um sie zu halten. Es bedurfte all seiner Kraft und beider Hände, um sie wieder anzuheben. Da sah er, dass die winzigen eingravierten Runen leuchteten, als bestünden sie aus geschmolzenem Metall. Blinzelnd und wie gebannt starrte er darauf.
    Er konnte die Runen lesen. Mit einem Mal erschienen sie ihm so klar wie Bardenschrift. Sogar noch klarer; mit der Schrift der Barden hatte er immer noch zu kämpfen. Verstehst du ?, fragte der Elidhu leise.
    »Ich - ich kann die Runen lesen«, gab Hem zittrig zurück.
    Lies sie. Sprich sie mir vor.
    Langsam, aber ohne zu zögern und mit zunehmend kräftiger
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