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Die Pellinor Saga Bd. 3 - Die Krähe

Die Pellinor Saga Bd. 3 - Die Krähe

Titel: Die Pellinor Saga Bd. 3 - Die Krähe
Autoren: Alison Croggon
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zittern, und er senkte den Kopf auf die Brust. »Glaubst du - glaubst du, dass sie gelitten hat?«, flüsterte er.
    »Nein.« Hem blickte Saliman unverwandt in die Augen, umsich zu vergewissern, dass er die Wahrheit sprach. »Nein, Hem, sie hat nicht gelitten. Ich bin sicher, sie ist schnell gestorben.«
    »Also habe ich alles umsonst gemacht.« Hem stieß einen wüsten Fluch aus undrammte die geballte Faust in den Boden. »Umsonst. Umsonst. Umsonst.« Bei jeder Wiederholung schlug er erneut in den Boden. Seine Knöchel bluteten, aber er fühlte keinen Schmerz.
    »Nein, nicht umsonst, Hem, mein lieber Hem.« Saliman ergriff die blutige Handdes Jungen und umarmte ihn innig. »Aber du konntest weder Zelika noch diese anderen Kinder retten. Es war so tapfer von dir, es überhaupt zu versuchen.«
    Ein Schmerz, heftiger als jeder andere, den er je empfunden hatte, schien Hem von innen heraus zu verbrennen. Er konnte nicht glauben, dass Zelika tot war, wenngleich er wusste, dass es stimmte. Unterschwellig hatte er es schon geahnt, seit er in Dagra auf Nisrah stieß, doch er war außerstande gewesen, sich der Erkenntnis zustellen. Alles, was er gewagt hatte, alles, was er erlitten hatte, konnte nichts ändern: nicht für Zelika, nicht für Nisrah, nicht für die halb wahnsinnigen Kinder im Blinden Haus, nicht für die in Sjug’hakar Im versklavten Bluthunde. Ihre Leben waren für immer zerstört, und nichts könnte daran etwas ändern. Er wollte nicht in einer Welt leben, in der solche Dinge geschahen.
    Hem begann, hemmungslos an Salimans Brust zu weinen, und der Barde hielt den zitternden Jungen einfach fest, streichelte ihm über das nasse Gesicht und schwieg. Lange Zeit später stand Hem auf und stolperte blindlings vom Feuer weg. Saliman sah ihm nach, ohne zu versuchen, ihn aufzuhalten. Eine Weile wusste Hem nicht, wohin er ging. Er fühlte sich so völlig leer, als könnte er nie wieder etwas empfinden. Zuerstbegab er sich zu der Stelle, an der er seine Habseligkeiten vergraben hatte, bevor er Sjug’hakar Im betrat. Er hob den Schutzbann auf und buddelte die Dinge aus. Von den Lebensmitteln war kaum noch etwas zu gebrauchen. Mit einem Schauder warf er das Schwert weg, das er als Bluthund verwendet hatte, und schnallte sich stattdessen die Scheide aus Turbansk um die Hüfte. Dann hob er seine Ersatzkleider und seine Lederrüstung auf; später würde er seine Kluft aus Sjug’hakar Im ablegen und wegwerfen. Er wollte nichts tragen, das ihn irgendwie mit den Bluthunden in Verbindung brächte.
    Hem ergriff den Stoffbeutel, der sein Silbermedaillon enthielt, das Lilienzeichen Pellinors, das sein einziges Bindeglied zu seinem Erbe, zu seiner verlorenen Familie darstellte. Er leerte es aus dem Beutel und betastete es. Das Medaillon war sein ältester Besitz und kostbar für ihn. Er verstaute es wieder in dem Beutel, den er sich zu der Stimmgabel aus Messing um den Hals hängte. Zuletzt ergriff er seine Turbansk-Brosche. Er kauerte sich wieder auf die Hacken und betrachtete sie eingehend. Die Zeit unter der Erde hatte keine Spuren darauf hinterlassen, die goldenen Strahlen darauf funkelten in der Sonne. Langsam und bedächtig steckte er sie sich an den Mantel. Nun war er wieder ein Barde.
    Saliman hatte ihm erzählt, wo er Zelika zur letzten Ruhe gebettet hatte, und nach einer Weile machte Hem sich auf zu ihrem Grab. Sie lag unter einem Mandelbaum auf einem niedrigen Hügel, der die Nazar-Ebenen überblickte, und Saliman hatte einen großen Stein als Grabmal angebracht. Hemsetzte sich daneben und dachte über das wilde Mädchen nach, das er so kurz gekannt und geliebt hatte. In seiner Erinnerung schien sie ihm zu kraftvoll, zu lebendig, um hier unter der Erde zu ruhen. Auch an Nisrah dachte er, den er zuletzt umklammert von der knochigen Hand eines Untoten inmitten von Verheerung gesehen hatte, wie er Hem mit hassverzerrter Miene Verwünschungen zuschrie.
    In vielerlei Hinsicht war Zelikas Tod gnadenreich gewesen. Dennoch würde dies Hem nie über dessen Ungerechtigkeit hinwegtrösten können.
    Die Sonne begann bereits unterzugehen, als Irc, der nach ihm suchte, zurückkam. Er landete auf Hems Schulter und wetzte den Schnabel an seinem Haar, gab jedoch keine seiner üblichen neunmalklugen Bemerkungen von sich. Hem kraulte der Krähe den Hals, war dankbar für ihr stummes Mitgefühl. Dann seufzte er schwer, stand auf und warf einen letzten Blick auf das Grab.
    »Leb wohl, Zelika«, sprach er laut aus. »Weißt du, ich wollte
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