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Die Pellinor Saga Bd. 3 - Die Krähe

Die Pellinor Saga Bd. 3 - Die Krähe

Titel: Die Pellinor Saga Bd. 3 - Die Krähe
Autoren: Alison Croggon
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beschäftigt damit, mürrisch an seinen Sandalen zu zupfen.
    »Jungbarde Cai, langweilen dich die großen Geheimnisse des Erschaffens etwa?«, erkundigte sie sich. Die anderen Kinder kicherten und drehten sich um, um Hem anzustarren, der erst allmählich begriff, dass Urbika mit ihm redete. Er schaute auf und stellte fest, dass die gesamte Klasse ihn anglotzte und vor unterdrückter Heiterkeit brodelte.
    »Ah, ja - ich meine, nein; doch, tun sie«, antwortete er, plötzlich unruhig und verlegen vor Demütigung. Urbika hatte ihn noch eine lange Weile gemustert, die Klasse mit einem weiteren Blick zum Schweigen gebracht und kein Wort mehr darüber verloren; aber Hem hatte den Rest des Tages über jenem belanglosen Zwischenfall gebrütet. Niemand lachte über ihn, niemand. Eines Tages würde er sie dafür bezahlen lassen …
    Ein Geräusch, das er bisher nur halb wahrgenommen hatte, drängte sich in den Vordergrund von Hems Träumerei. Unter seinen Füßen war eine Art Tumult ausgebrochen. Er blickte durch das Blätterwerk hinab und sah auf dem Boden ein wirres Knäuel sich bewegender Federn - sechs oder sieben Krähen griffen etwas in ihrer Mitte an. Von Neugier gepackt ließ Hem sich von dem Ast zur Erde plumpsen und landete unmittelbar neben dem Kampf. Die Krähen waren so darin vertieft, dass sie ihn nicht bemerkten.Nun erkannte er, dass sie wild auf einen weißen Vogel einhackten, der jeden Gedanken an Flucht offenbar aufgegeben hatte und vergeblich versuchte, den Kopf unter dem Flügel zu verbergen. Blut befleckte sein Gefieder, wo die Krähen ihm die Haut aufgerissen hatten.
    Von jähem Zorn erfüllt hob Hem die Hand und rief in der Hohen Sprache: »Demi, mulchar! Hinfort, Aasvieh!«
    Ein blauer Lichtblitz löste sich von seinen Fingern und traf die angreifenden Krähen, die überrascht und bestürzt aufkrächzten, flatternd davonstieben und den Gestank versengter Federn zurückließen. Ihr Opfer lag von weißen, an den Spitzen blutigen Federn umgeben im Gras, die Augen geschlossen. Die Brust des Tieres hob und senkte sich heftig. Behutsam hob Hem es auf und spürte, wie der Körper in seinen Händen zitterte. Unwillkürlich sog er angesichts der Leichtigkeit des Vogels den Atem ein: Der Leib unter den Federn war so klein, bildete nur einen winzigen Lebensbrocken. Bist du verletzt, Kleiner?, fragte er in der Hohen Sprache.
    Beim Klang seiner Stimme schlug der Vogel die Augen auf und schloss sie fast sofort wieder. Hem bedauerte, den Lärm nicht schon früher bemerkt zu haben; nun schien es wahrscheinlich, dass der Vogel am blanken Schrecken sterben würde. Er hielt ihnsich an die Brust und faltete die Hände um seinen Kopf, um für ihn Dunkelheit zu schaffen, die vielleicht wenigstens die Furcht des Tierchens lindern würde. Wenngleich es vermutlich über Angst bereits hinaus war. Hem dachte gerade, dass es wohl an der Zeit war, den Garten zu verlassen, als vom Kreuzgang hinter ihm ein wütender Schrei ertönte. Erschrocken sah er sich nach einer Fluchtmöglichkeit um. Ein überaus großer Mann in langen grünen Gewändern kam rasch auf ihn zugerannt und brüllte etwas auf Suderain. Der einzige rasche Weg nach draußen bestand darin, auf den Mangobaum zu klettern und auf der anderen Seite der Mauer hinabzuspringen, doch der Vogel behinderte Hem, und er wollte ihn nicht durch rasche Bewegungen erschüttern. Er wog seine Aussichten ab, fluchte und entschied, dass er keine andere Wahl hatte, als sich dem Mann zu stellen.
    Als dieser ihn sowohl vor Anstrengung als auch vor Wut schnaubend erreichte, holte er mit der Hand aus, um Hem eine Schelle zu verpassen. Der Junge zuckte zusammen und wappnete sich für den Schlag, doch der Mann hielt mit der Hand hoch in der Luft inne und starrte ihn erstaunt und anscheinend zunehmend zornig an. Dann folgte eine Flut von Fragen, von denen Hem wenig verstand, abgesehen von dem Wort Djella, das Barde bedeutete. Hem wurde klar, dass er deshalb nicht kurzerhand bestraft worden war, weil der Mann die unverkennbare Kluft eines Schülers der Schule von Turbansk erkannt hatte. Er lächelte, so schmeichlerisch er konnte, und sagte jedes Mal, wenn der Mann absetzte, um Luft zu holen: »Saliman Turbansk de.«
    Der Mann bedachte Hem mit einem argwöhnischen Blick, dann packte er ihn schmerzhaft am Ohrläppchen und zerrte ihn ins Haus. Hem hatte alle Hände voll damit zu tun, nicht zu stürzen und den Vogel zu verletzten, den er gerettet hatte. Rasch wurde er durch breite Gänge und
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