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Die Pellinor Saga Bd. 3 - Die Krähe

Die Pellinor Saga Bd. 3 - Die Krähe

Titel: Die Pellinor Saga Bd. 3 - Die Krähe
Autoren: Alison Croggon
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Schale, in die er das Wasser für den Vogel gießen konnte. Natürlich hätte er einfach eine aus der Küche holen können, aber er traute sich nicht, das Zimmer zu verlassen; sollte Saliman kommen, während Hem nicht da war, würde er noch wütender auf ihn werden. Er würde warten müssen, bis Saliman auftauchte.
    Zappelig saß er auf dem Bett und fragte sich, wie Saliman ihn für seine jüngste Tollerei bestrafen würde. Ob er ihn aus dem Bardenhaus verstoßen würde? Unbehaglich dachte Hemüber die Möglichkeit nach: In seinen Augen schien es durchaus wahrscheinlich. Bei eingehenderer Betrachtung gab es nicht viele Gründe für Saliman, ihn hierzubehalten; die anderen Jungbarden mochten ihn nicht besonders, er geriet andauernd in Schwierigkeiten, und er zählte nicht unbedingt zu den Besten in seinen Klassen …
    Binnen kurzer Zeit verwandelte sich Hems Befürchtung in Überzeugung. Wohin könnte er gehen, wenn er nicht mehr bei Saliman wohnte? Er würde auf den Straßen leben müssen. Vielleicht könnte er Arbeit als Marktschreier finden, die feilgebotenen Waren herumtragen und von ihren Vorzügen berichten; darin könnte er recht gut sein … Dann fiel ihm ein, dass er kein Suderain sprach. Also würde er sich als Dieb verdingen müssen. Er war gut darin, Dinge zu stehlen. Wenngleich es schwieriger sein würde als früher, als er noch ein kleiner Junge gewesen war; mittlerweile war er groß, und in Turbansk beraubte ihn seine hellere Haut der Gabe, unbemerkt in einer Menschenmenge unterzutauchen. Er würde nach Norden aufbrechen, um Maerad zu suchen - unterwegs würde er Dinge stibitzen, um sich zu ernähren. Das Einzige, was ihn daran störte, war, dass er Saliman vermissen würde.
    Und dann war da noch Cadvan, Maerads Lehrmeister. Hem bewunderte Cadvan ebenso sehr wie Saliman, aber er empfand Cadvan als unnahbarer. Er erinnerte sich noch gut daran, wie streng der Barde sein konnte. Wenn es Hem gelänge, Maerad zu finden, würde er auch auf Cadvan treffen, und Cadvan würde wahrscheinlich wütend auf ihn sein … Andererseits würde Maerad zweifellos für Hem eintreten. Dann konnten sie sich zu dritt in Abenteuer stürzen.
    Eine Weile grübelte Hem über seine nähere Zukunft nach und ersann vergnügliche Hirngespinste, in denen seine eigenen Heldentaten hervorstachen, dann erinnerte er sich an den Vogel. Aus der Truhe war die ganze Zeit kein Laut gedrungen, weshalb Hem überzeugt davon war, dass er mittlerweile gestorben sein musste. Doch als er aufstand undden Deckel öffnete, kauerte das Tierchen sich in eine Ecke und versuchte, sich zu verstecken. Hem gab ein paar beruhigende Geräusche von sich, unterließ es jedoch, mit ihm zu reden oder es herauszuheben. Ihm fiel auf, dass der Schnabel nicht vor Durst ins Leere schnappte, was ihn ein wenig erleichterte. Sanft schloss er den Deckel wieder. Es schien ewig zu dauern, bis er Schritte auf dem Gang und ein Klopfen an der Tür vernahm. Eine kurze Pause entstand, während der sich Hem für eine Standpauke wappnete und sich fragte, weshalb die Tür geschlossen blieb. Dann fragte Saliman: »Hem? Darf ich reinkommen?«
    Hem hatte sich an solche Höflichkeitsbezeugungen immer noch nicht gewöhnt. »Ja, ja, komm rein«, erwiderte er atemlos, während er zur Tür lief und sie öffnete. Saliman stand in den roten Gewändern eines Barden von Turbansk auf dem Gang. Das lange schwarze Haar war in einem verschlungenen Zopfmuster aus dem Gesicht zurückgeflochten, und an seiner Schulter steckte eine goldene Brosche in Form einer strahlenden Sonne. Hem fand, dass er nicht ganz so wütend aussah, wie er erwartet hatte; spielte da etwa sogar der Ansatz eines Lächelns um seine Lippen? Aber vielleicht auch nicht…
    Tatsächlich betrachtete Saliman erstaunt das Gewirr der Kleider, die sich auf HemsBett türmten. »Ich hoffe, Hem, du spielst nicht mit dem Gedanken auszureißen«, sagte er und ergriff einen blauen Kittel. Hem schluckte. »Nein«, antwortete er. »Ich … ich musste den Vogel irgendwo unterbringen.«
    Mit ausdrucksloser Miene wandte Saliman sich ihm zu. »Vogel?«, fragte er. »Er war verletzt. Und Vögel brauchen einen dunklen Platz, damit sie sich nicht fürchten. Also habe ich …« Er geriet ins Stocken und verstummte. Womöglichwar es in Bardenhäusern nicht gestattet, verletzte Vögel in Kleidertruhen zu legen. »Ja?«
    »Also habe ich ihn in die Truhe gelegt…« Er deutete zur gegenüberliegenden Seite der Kammer. »Aber ich habe all meine Kleider
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