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Die Patin

Die Patin

Titel: Die Patin
Autoren: Gertrud Höhler
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«Modernisierung» sein: Nicht mehr präsidiale Würde, sondern der kühle Sachverstand des ehemaligem Präsidenten des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands sollte Nüchternheit statt Pathos ins höchste Staatsamt bringen. Eine Versachlichung, die mit der ursprünglichen Verfassungskonzeption des höchsten Staatsamtes nicht mehr viel zu tun haben sollte.
    Intrigen um diese stark parteipolitisch und zukunftsgerichtete schwarzgelbe Initiative gab es genug. Die parteipolitische Machtergreifung im Vorfeld war gleichzeitig stärker als bei früheren Präsidentenwahlen.
    Dass unter Merkels Führung das Präsidentenamt eine neue Definition erfuhr, zeigt deutlich erst der ‹Dreierpack› jener Wahlentscheidungen, die bis zur Neuwahl im März 2012 zwei Rücktritte vom hochkalkuliert vergebenen Amt und damit zwei unvollendete Amtszeiten hervorgebracht haben.
    Zufall? Es lohnt sich, die drei Szenarien im Zusammenhang zu analysieren. 49
    Die überparteiliche Kanzlerin: Ideentransfer aus der SPD
    Die Große Koalition ist Merkels Einstieg in ein gemischtes Politikprogramm, das sie von vielen Kompromissen in der eigenen Partei freistellt. Nun ist sie Kanzlerin, und die Kooperation mit dem politischen Gegner wird als Wählerauftrag gerechtfertigt und muss nicht täglich verteidigtwerden. Ihre eigene Partei hat Grund zur Dankbarkeit und zunächst wenig Anlass, zu den Rivalitäten der Jahre 2002 bis 2005 zurückzukehren.
    Die Ankunft in einer generell als Ausnahmefall verstandenen Koalition bietet in Wahrheit für die Kanzlerin die passgenaue Chance, um ihre Vorstellung von parteiübergreifender Politik zu verwirklichen.
    In Ihrer Regierungserklärung kündigt die Kanzlerin eine ‹Koalition der neuen Möglichkeiten› an. Mit einer komfortablen Bundestagsmehrheit von 72 Prozent, flankiert durch eine satte Bundesratsmehrheit, in der jedes Bundesland durch mindestens einen der beiden Regierungspartner vertreten war, durfte die Erwartung der Bürger auf eine erfolgreiche Zusammenarbeit geradezu unausweichlich erscheinen.
    Angela Merkels Zielformel, ‹durchregieren› sei das, was sie eines Tages zeigen wolle, fällt vielen Beobachtern wieder ein, als die Regierung an den Start geht.
    Für Angela Merkel bietet sich eine Auswahl von Profilierungschancen, die sie konzentriert einsetzt. Das Bild der traditionellen CDU wird konsequent in Richtung SPD-Domänen ausgeweitet. Ursula von der Leyen verändert energisch das Image der Familienpolitik: Sie liefert einen Mix von neuen ideologischen Botschaften und Projekten, die zum Teil bis zum Jahr 2013 auf ihre Einlösung warten. Die Richtung soll neu sein, Berufsarbeit von Frauen soll selbstverständlich werden. Die Logik für das Kinderleben: massiver Ausbau der Krippenplätze bis 2013, Einführung eines Elterngeldes, von sogenannten Vätermonaten. Damit besetzen die Familienministerin und die Kanzlerin zwei wichtige Reviere, die traditionell bei SPD und Grünen – und sehr ausgeprägt in der untergegangenen DDR – politische Kernprojekte waren. Die gemeinsame Attacke der siebenfachen Mutter von der Leyen und der Kanzlerin auf emotional hochgeladene Spielfelder der Grünen und DDR-Linken, Felder, auf denen längst die SPD auch ihre Pflöcke eingeschlagen hatte, entfachte heftigste Debatten auch außerhalb der politischen Community. Rückholbewegungen von seiten der Parteien, die sich als Pioniere der Themen Frauenarbeit und Kinderbetreuung sahen, fanden kaum statt. Die Eroberung des gesamten Themenspektrums um Mütter, Kinder, Familie und ein neues Vaterbild für die CDU gelang planmäßig. Die Frauender Mittelschicht fühlten sich an letzte Kapitel der Emanzipation erinnert, und kaum einer fragte, ob die Entlastung der Eltern und das Glück der Kinder tatsächlich aus dem Stadium des politischen Versprechens in die Nähe erlebbarer Wirklichkeit rückte. Es war ein ideologischer Sprung der «verspäteten Partei» CDU in die Gegenwart der andern Parteien, die zunächst zu überrascht waren, um ihr Ideeneigentum zurückzufordern.
    Die Wertedebatte, die aus der medizinischen und kinderpsychologischen Wissenschaft bislang ein zuverlässiger Begleiter und Kontrolleur sozialistisch angereichterter Lebensidyllen gewesen war, lebte nicht wirklich wieder auf.
    Das Projekt Neubewertung der Familie und Freiheitszugewinn der Frauen war ein klar definiertes Kampffeld von Kanzlerin und Familienministerin.
    Ähnliche Raubzüge in den Revieren der Grünen und der SPD folgen diesem Modell. Die
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