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Die Patin

Die Patin

Titel: Die Patin
Autoren: Gertrud Höhler
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Aufmerksamkeit der kritischen Öffentlichkeit wird durch die Entschiedenheit des Zugriffs auf ‹neue Themen› für die alte CDU eingeschläfert. Wer will schon bei den Ewiggestrigen sein, wenn die Parteichefin und nun sogar Bundeskanzlerin die ‹modernste Volkspartei Europas› verspricht? Selbst die Nachfrage, wie viel oder wie wenig von den 2005 bis 2009 entworfenen Szenarien für Elternglück und Kinderschicksal zum Jahr 2013 abrufbar sein wird, unterbleibt. Der Aktionismus der Ministerin, die pure Dichte ihrer Varianten und ihre beinahe tägliche Präsenz in den Medien schafft eine konspirative Atmosphäre, die zum früheren CDU- Werkzeugkasten nicht gehörte. Dabeisein, Jasagen, über angesetzte Summen staunen, die nun endlich den richtigen Weg finden, und endlich in vorderster Linie vom modernen Profil der ‹alten› Volkspartei profitieren, das stärkt auch das Selbstbewusstsein.
    Die Kanzlerin konzentriert sich in den Jahren der Großen Koalition auf internationale Auftritte, die mehr Symbolpolitik als Sachpolitik liefern: Der Riesenstrandkorb im Ostseebad Heiligendamm ging durch die Weltpresse. Dass es die G8 waren, die dort tagten, und was sie dort beschlossen, weiß heute nur noch das Fachpersonal. Die Kanzlerin hat einige Gründe, die Beziehung zu den USA persönlich zu pflegen – mit dem inneren Vorbehalt, dass Regierungen wechseln. AußenministerSteinmeier ist ein fairer und ruhiger Partner; Merkel überlässt ihm sensible Themen wie Syrien – schon damals heikel –, um dann aber internationale Beziehungen, die ihr selbst wichtig sind, wie jene zu Russland, Empfang des Dalai Lama und die bedingungslose Solidarität mit Israel, als Kanzlerpositionen zu verankern. Das Kapitel Große Koalition zeigt Merkel entschieden bei der Arbeit an ihrem internationalen Profil.
    Schon jetzt wird deutlich, dass innenpolitische Streitfälle ihr keine Leidenschaft abnötigen. Sie kalkuliert kühl, wann ein Entgegenkommen im Bündnis mit der SPD für das Zukunftsimage der CDU nützlich ist. Emotionen beim Thema Mindestlohn überlässt sie den Parteiexperten. Sie nimmt an dem Thema nur insoweit teil, als eine Positionsverschiebung vielleicht von Nutzen ist: Und schon wird ein kleiner Schritt auf die Anhänger zugetan – klein genug, damit später, in der nächsten Regierung, noch eine weitere Annäherung dazukommen kann. Auch die kaum vertretbare Rentenerhöhung am Ende der gemeinsamen Regierungszeit, 2009, fügt ein weiteres Puzzlestück in das sich wandelnde Szenario der CDU. Überall besser rauskommen, als man reingeht, das ist ein Prinzip der Machtpolitikerin Angela Merkel. Sie strapaziert sich nicht mit Emotionen; lieber rechnet sie den optimalen Approach an das nächste Thema durch.
    Atompolitik ist, in diesem Sinne, ein Thema für spätere, vermutlich wichtigere Augenblicke. Die CDU muss auch wiedererkennbar bleiben, das weiß die Chefin. Zu viele neue Positionen schwächen das Vertrauen. Die SPD ist aus rot-grünen Zeiten bei ihrem Votum zum Ausstieg gefangen. Merkel weiß, dass die Umweltlobby unter Umständen ein schwerer Gegner sein kann, wenn es misslingt, sie angriffsartig zu umarmen. Niemand kann ausschließen, dass die Kanzlerin schon 2009 die Chance in Reserve halten wollte, mit dieser überwältigenden und hochemotionalen Wahrheit die gültige Kernkraftposition der CDU zu schleifen.
    Der Glücksfall, in den Wogen der Finanzkrise einen Finanzminister zu haben, der seine Brillanz mit heißem Herzen national und europäisch entfaltet, mag Angela Merkel in den Jahren 2008 und 2009 oft zum Durchatmen ermuntert haben. Ihr blieben, wie sie das später in der Euro-Krise weitergeführt hat, die symbolischen Statements an die Bürger,deren Wortlaut festgelegt war: «Die Sparguthaben sind sicher», ein Satz, der auch eine kühne, unbeweisbare Behauptung aufstellt, hatte auch deshalb befriedende Wirkung im Lande, weil er so karg daherkam wie die meisten Merkel-Sätze, nicht schneidig und selbstverliebt wie hundert Steinbrück-Statements, sondern glanzlos, aber von spürbarer Wichtigkeit für die ängstliche Gemütsverfassung der Deutschen.
    Die Planwirtschaft der Werte: Das System M entsteht
    In beiden Krisen, der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise von 2008 und der Staatsschuldenkrise, die bis heute andauert, hat Merkel wieder von jenem Widerspruch profitiert, der sie überlegen macht: Sie hat schon in der DDR keinen der Herrschenden bewundern können, weil ödes Mittelmaß produziert wurde – auch dort,
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