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Die Päpstin

Titel: Die Päpstin
Autoren: Aufbau
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Papst Sergius’ Völlerei und seine Gichtkrankheit. Anastasius, Arsenius, Gottschalk, Rabanus Maurus, Kaiser Lothar, seine
     Brüder Karl und Ludwig sowie die Päpste Gregor, Sergius und Leo sind allesamt historische Gestalten. Auch was die allgemeinen
     Lebensumstände, die Ernährungsgewohnheiten, die Kleidung, die medizinischen Behandlungsformen und anderes im neunten Jahrhundert
     betrifft, habe ich mich eingehend kundig gemacht, so daß meine Schilderungen weitgehend authentisch sein dürften.
    Doch um einen möglichst spannenden Unterhaltungsroman erzählen zu können, habe ich einige historische Fakten so »zurechtgerückt«,
     daß sie in den Handlungsrahmen passen. Beispielsweise brauchte ich einen Normannenüberfall auf Dorstadt (oder Dorestad) im
     Jahre 824; tatsächlich stattgefunden hat dieser Raubzug aber erst 842. Ähnliches gilt für »meine« beiden Züge Kaiser Lothars
     gegen Rom mit dem Ziel, die Stadt und den Papst zu bestrafen. In Wahrheit hat Lothar beim zweiten Mal seinen Sohn Ludwig entsandt,
     den König von Italien, um diese Aufgabe an seiner Stelle zu erledigen. Der Leichnam des heiligen Marcellinus wurde tatsächlich
     aus seinem Grab gestohlen; allerdings nicht im Jahre 855, sondern bereits 827. Johannes der Diakon, der Gegenpapst – Sergius’
     Vorgänger –, wurde nach seiner Absetzung nicht hingerichtet, sondern eingekerkert und anschließend verbannt. Aber diese und
     andere »dichterische Freiheiten« mögen mir verziehen sein, zumal es – glaube ich – Ausnahmen sind; ich habe versucht, den
     historischen Rahmen des Romans möglichst präzise zu zeichnen.
    Einige Dinge, die ich in
Die Päpstin
beschrieben habe, mögen aus unserer heutigen Warte schockierend anmuten; für die Menschen der damaligen Zeit waren sie es
     gewiß nicht. Der Verfall des römischen Kaiserreichs und der sich daraus ergebende Zusammenbruch staatlicher und gesetzlicher
     Ordnung führten zu einer Epoche, die von einer fast beispiellosen Barbarei und Gewalt gekennzeichnet war. Wie ein zeitgenössischer
     Chronist sich beklagte, war es ein »Zeitalter des Schwertes, ein Zeitalter des Windes, ein Zeitalter des Wolfes«. Die Bevölkerung
     Europas wurde durch eine verheerende Reihe aufeinanderfolgender Hungersnöte, Epidemien, Bürgerkriege und »barbarischer« Invasionen
     fast zur Hälfte vernichtet. Die durchschnittliche Lebenserwartung war sehr |565| niedrig; weniger als ein Viertel der Bevölkerung wurde älter als fünfzig Jahre. Städte im eigentlichen Sinne gab es nicht
     mehr; die größten Orte hatten nicht mehr als zwei- oder dreitausend Einwohner. Die alten Römerstraßen waren verfallen; die
     Brücken, von denen ihre Funktionstüchtigkeit als Reise- und Fernhandelswege abhingen, waren verschwunden.
    Die gesellschaftliche und wirtschaftliche Ordnung, die wir heute als Zeitalter der »Feudalherrschaft« bezeichnen, lag noch
     in weiter zeitlicher Ferne. Ebensowenig konnte von einem europäischen Staatenwesen die Rede sein; im modernen Sinne gab es
     weder ein Deutschland, noch ein Frankreich, noch ein Spanien oder Italien. Zudem hatten die verschiedenen romanischen Sprachen
     sich noch nicht aus ihrer Muttersprache, dem Latein, herausgebildet; es gab keine französische oder spanische oder italienische
     Sprache, nur unterschiedliche Formen eines umgangssprachlichen Latein, das sich immer weiter von seiner klassischen Form entfernte,
     sowie eine Vielzahl verschiedener regionaler Mundarten.
    Kurz gesagt, war das neunte Jahrhundert eine Epoche einer sich wandelnden Gesellschaft, die von einer seit langer Zeit toten
     Form der sozialen und wirtschaftlichen Ordnung in eine neue Gestalt der gesellschaftlichen Ordnung hineinwuchs, die noch gar
     nicht geboren war – mit all den inneren Unruhen und Gärungen, die eine solche Phase des Umbruchs mit sich bringt.
    Das Leben in diesen unruhigen Zeiten war für die Frauen besonders schwer. Es war ein misogynistisches Zeitalter, das unter
     anderem von den frauenfeindlichen Schmähschriften solcher Kirchenväter wie Sankt Paul oder Tertullian geprägt wurde:
     
    Und weißt du nicht, daß du die Eva bist?... Du bist das Tor des Teufels, die Schlange im Baum, die erste Abtrünnige vom göttlichen
     Gesetz; du bist die, welche jenen verführte, dem der Teufel sich nicht zu nähern wagte... des Todes wegen, den du verdient
     hast, mußte selbst der Sohn Gottes sterben.
     
    Die Menschen glaubten, daß Menstruationsblut den Wein sauer werden ließ,
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