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Die Päpste: Herrscher über den Glauben - von Petrus bis Franziskus - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Die Päpste: Herrscher über den Glauben - von Petrus bis Franziskus - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Titel: Die Päpste: Herrscher über den Glauben - von Petrus bis Franziskus - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
Autoren: Norbert F. Pötzl
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Kleriker – in die Schranken weisen müssen.
    Fast könnte es scheinen, als bleibe den Päpsten nur dieser bescheidene mediale Part im weltpolitischen Spektakel. Doch selbst Ungläubige sehen das stabile Normal-Image des alten, gütig-eigensinnigen Regenten gelegentlich durchkreuzt – von einer religiösen Botschaft, ja Mission, die dann doch rasch wieder alles Persönliche übersteigt.
    Mindestens einmal hat sich diese Außergewöhnlichkeit auch künstlerisch offenbart. In einer Serie teils großformatiger Bilder ist der britische Maler Francis Bacon seit 1945 über das berühmte Velázquez-Porträt Innozenz’ X . geradezu hergefallen: Einsam, gefesselt, deformiert und häufig schreiend vor Wut oder Qual, zeigt sich der geistliche Potentat in ein Opfer verwandelt, ohne dabei auch nur ein bisschen sympathisch zu wirken. Er ist geschunden von namenlosen Mächten, von der Welt, vom heftigen Pinselstrich, ja selbst noch von den Blicken der Betrachter.
    Die meisten Sachverständigen deuten Bacons erschütternde Gegenentwürfe als existentielle Klage, als Allegorie menschlichen Leidens schlechthin. Dass der Künstler aber ausgerechnet das Porträt von Velázquez für seine Verfremdungen wählte, macht sie vor dem Hintergrund der Kirchengeschichte zu fesselnden Beweisstücken. Sie zeigen: Die Institution des Heiligen Vaters hat in ihrer paradoxen Verbindung von Glorie und Verletzlichkeit, weltlicher Macht und spiritueller Stellvertretung die alte Faszination bewahrt, ja sogar steigern können. Der Anspruch, nicht von dieser Welt allein beauftragt zu sein, wirkt fort. Gottes Wille oder Menschenwerk: Mit der einzigartigen Traditionsmarke namens Papsttum werden die Historiker jedenfalls weiter rechnen dürfen.

»Im Strom der Tradition«
    Der Kirchenhistoriker Kardinal Walter Brandmüller über den Rücktritt Benedikts XVI., den Primat des Papstes und die Frage, weshalb die Kirche keine Demokratie sein kann.
    Das Gespräch führten
Norbert F. Pötzl und Johannes Saltzwedel.
    SPIEGEL: Eminenz, Papst Benedikt XVI . hat einen Schritt getan, der in der Geschichte der katholischen Kirche beinahe einmalig ist: Er hat den Verzicht auf sein Amt erklärt. Bisher gab es nur einmal eine vergleichbare Situation, als Coelestin V. 1294 nach viermonatiger Amtszeit freiwillig und ohne äußeren Druck zurücktrat, weil er sich überfordert fühlte. Wie verträgt sich Benedikts Rücktritt mit dem Traditionsbewusstsein der katholischen Kirche, die das Amt gewöhnlich auf Lebenszeit vergibt?
    BRANDMÜLLER: Einen Widerspruch zum katholischen Verständnis des Petrusamtes kann ich darin nicht erkennen. Zu dem Fall Coelestins V . muss man auch jenen Gregors XII. hinzufügen. Er hat auf dem Konzil von Konstanz 1415 abgedankt, um ein Ende des Schismas, der Kirchenspaltung, herbeizuführen.
    SPIEGEL: Damals regierten seit mehreren Jahren drei Päpste gleichzeitig und nebeneinander.
    BRANDMÜLLER: Heute kann man sagen, dass Gregor XII . legitimer Papst war. Er hatte zu Recht den Anspruch auf den Stuhl Petri erhoben. Durch seinen Amtsverzicht hat er den Weg freigemacht für die Wahl eines von allen drei Obödienzen anerkannten, unbezweifelten Papstes, Martins V .
    SPIEGEL: Ansonsten aber hat es einen Rücktritt aus freien Stücken in 2000 Jahren Papsttum nicht gegeben. Allenfalls wurde mal der eine oder andere Papst abgesetzt.
    BRANDMÜLLER: Absetzungen waren das allenfalls im säkularen Sinn, als Eingriffe der politischen Macht. Zwei Päpste haben vorsorglich für den Fall ihrer Gefangennahme ihre Abdankung verfügt. So handelten Pius VII ., bevor er 1804 seine Reise zur Krönung Napoleons nach Paris antrat, und Pius XII . zur Zeit der deutschen Besetzung Roms 1943 bis 1945. Napoleon hätte dann nur den Barnabà Chiaramonti und Hitler nur Eugenio Pacelli in der Gewalt gehabt, nicht aber den Papst.
    SPIEGEL: Nach dem Kirchenrecht darf ein Papst nur zurücktreten, wenn er dafür stichhaltige Motive hat. Benedikt sagte, er sei »zur Gewissheit gelangt, dass meine Kräfte infolge des vorgerückten Alters nicht mehr geeignet sind, um in angemessener Weise den Petrusdienst auszuüben«. Reicht angegriffene Gesundheit für einen Amtsverzicht aus? Oder hätte er wie Johannes Paul II . bis zum letzten Atemzug durchhalten müssen?
    BRANDMÜLLER: Der Canon 332 Paragraph 2 des Codex Iuris Canonici enthält keine Aussagen über irgendwelche Gründe des Amtsverzichts. Er stellt nur fest, dass es keiner Annahme durch wen auch immer bedürfe.
    SPIEGEL: Das Papsttum
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