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Die Päpste: Herrscher über den Glauben - von Petrus bis Franziskus - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Die Päpste: Herrscher über den Glauben - von Petrus bis Franziskus - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Titel: Die Päpste: Herrscher über den Glauben - von Petrus bis Franziskus - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
Autoren: Norbert F. Pötzl
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Historiker nichts anderes erkennen.
    SPIEGEL: Für Sie ist die Entwicklung zum Papsttum geradezu unausweichlich.
    BRANDMÜLLER: Sagen wir es so: Das Papsttum ist im genetischen Code des Christentums enthalten.
    SPIEGEL: Gilt das etwa auch für den Titel Papst?
    BRANDMÜLLER: Überhaupt nicht. Das Wort »Papst«, griechisch pappas, besagt gar nichts, es ist ein alter Ehrentitel für Bischöfe und Metropoliten.
    SPIEGEL: Wann wurde er gebräuchlich?
    BRANDMÜLLER: Das weiß ich nicht. Früh jedenfalls.
    SPIEGEL: Wann setzen Sie denn den Aufstieg zur weltlichen Macht an? Manche Historiker mögen der römischen Kurie erst mit den Karolingern oder gar später überregionalen Einfluss zugestehen.
    BRANDMÜLLER: Da kommt vieles zusammen. Man müsste zum Beispiel einmal erforschen, wie das exzellente römische Kommunikations- und Straßennetz den ersten Päpsten zugutekam und wie sein Niedergang in der Spätantike und im frühen Mittelalter auch das Kirchenregiment erschwert hat. Der Zerfall in Stammesreiche komplizierte alles. Politisch gesehen waren die Päpste des frühen Mittelalters vor Gründung des Kirchenstaats weitgehend machtlos. Der Historiker Rudolf Schieffer hat sogar die These vertreten, vor dem Jahr 1000 sei Rom praktisch nur auf Anfrage tätig geworden. Aber das kann ich nicht unterschreiben. Schon im Briefwechsel Gregors des Großen ist ja ein Papst zu sehen, der kirchlich eingreift, von sich aus: selbst in Spanien, England, Germanien.
    SPIEGEL: Ist Gregor damit nicht eher eine Ausnahmegestalt?
    BRANDMÜLLER: O nein. Denken Sie an Leo den Großen, der Mitte des 5. Jahrhunderts Rom vor Hunnen und Vandalen bewahrt, oder an Victor, der schon Ende des 2. Jahrhunderts den Ostertermin durchsetzt, gegen erheblichen Widerstand. Es ist interessant nachzulesen: Gegen das »römische Diktat« wird heftig protestiert, aber die Möglichkeit solchen Regiments, Roms Kompetenz als solche, bezweifelt keiner.
    SPIEGEL: Noch ein Punkt für den Primat. Einen weiteren macht das Papsttum, als es den Karolingern die Kaiserwürde überträgt. Ökonomen könnten da von einer »Win-win-Situation« sprechen.
    BRANDMÜLLER: Es war tatsächlich einer der ganz wenigen Momente, wo Papst und weltlicher Herrscher quasi von gleich zu gleich agierten. Das römische Recht, das römische Credo und die römische Liturgie hat Karl der Große voll akzeptiert, den Papst aber wollte er eigentlich als so etwas wie seinen Hofkaplan betrachten.
    SPIEGEL: Roms Vormacht ist seither auch dank mancherlei Tricks gewachsen. Da gibt es den Komplex der pseudo-isidorischen Dekretalen, einer Kirchenrechtssammlung, die in frühesten Zeiten entstanden sein soll, tatsächlich aber, wie man heute weiß, erst Mitte des 9. Jahrhunderts raffiniert zusammengefälscht wurde.
    BRANDMÜLLER: Zur Begründung des Primats trägt Pseudo-Isidor nicht bei. Es geht in den Dekretalen ja vorwiegend darum, die Macht der Bischöfe gegen deren Vorgesetzte, die Metropoliten, zu festigen.
    SPIEGEL: Dennoch wurden sie im frühen Hochmittelalter zu einer Stütze des römischen Primats.
    BRANDMÜLLER: Interessanterweise wusste bereits Papst Silvester II . – der berühmte Gerbert von Aurillac – um den Fälschungscharakter der »Konstantinischen Schenkung«, weshalb er Wert darauf legte, die weltliche Herrschaft der Päpste von Kaiser Otto III . bestätigen zu lassen.
    SPIEGEL: Aber warum wollte das Papsttum noch mehr? Weshalb werden im »Dictatus Papae« Gregors VII . von 1075 göttliche Stiftung und Unfehlbarkeit der römischen Kirche, ja absolute Vorrangstellung des Papstes geradezu parolenhaft festgeschrieben?
    BRANDMÜLLER: Bis heute rätselt die Forschung, wer diese Sätze wozu, in welchem Zusammenhang und mit welcher Absicht im Briefregister Gregors VII . festgehalten hat. War es die Inhaltsangabe einer beabsichtigten Gesetzessammlung, war es die Niederschrift von Träumen eines Machtgierigen? Ich weiß es nicht und kann mich für keine der vielen Thesen mit begründeten Argumenten entscheiden. Klar ist nur: Gregor bringt eigentlich nichts Neues, er steht im Strom der Tradition.
    SPIEGEL: Immerhin formuliert er so scharf, dass man bis heute vor dem Anspruch erschrickt.
    BRANDMÜLLER: Die Sätze sind schon von großer Wucht. Aber erstens kamen sie zu ihrer Zeit praktisch nicht an die Öffentlichkeit, und zweitens konnten sie Widerspruch nur bei denen erregen, die ohnehin gegen Roms Primat eingestellt waren. Gegenüber weltlichen Regenten waren die Päpste immer die Schwächeren,
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