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Die Päpste: Herrscher über den Glauben - von Petrus bis Franziskus - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Die Päpste: Herrscher über den Glauben - von Petrus bis Franziskus - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Titel: Die Päpste: Herrscher über den Glauben - von Petrus bis Franziskus - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
Autoren: Norbert F. Pötzl
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und wer Ansprüche erhebt, hat sie damit ja noch nicht durchgesetzt.
    SPIEGEL: In dieses Bild passt, dass der Papst sich Stellvertreter Christi, des Gekreuzigten, nennt. Aber braucht Christus denn einen Stellvertreter?
    BRANDMÜLLER: Eine wichtige Frage. Die Antwort lautet: Christus hat eine Kirche gegründet, die wie er selbst inkarnatorisch verfasst ist. Das heißt: Jesus ist doch ebenso Mensch, wie er Gott ist; seine Kirche, die Paulus ja Christi Leib genannt hat, muss dem entsprechen. Auch in ihr sind Göttliches und Menschliches »ungetrennt und unvermischt« präsent, wie das Konzil von Chalcedon es 451 vom Verhältnis von Gottheit und Menschheit in Christus formuliert hat. Darum handgreifliche Sakramente wie Brot und Wein, darum auch das institutionelle Amt.
    SPIEGEL: Hier spricht nun wirklich der Theologe, nicht der Historiker. Aber beim Amt des Papstes geht es ja stets um mehr als Glaubenslehre. So nennt er sich nicht nur mit altrömischem Priestertitel »Pontifex maximus«, wörtlich etwa »Oberbrückenbauer«, sondern auch »Diener der Diener Gottes« …
    BRANDMÜLLER: »Servus servorum dei«, schon seit Gregor dem Großen.
    SPIEGEL: Das klingt ungefähr so bescheiden, wie Preußens absoluter Herrscher Friedrich der Große der »erste Diener seines Staates« sein wollte. Im Ernst: Das Reich des Papstes ist durchaus von dieser Welt.
    BRANDMÜLLER: Gewiss doch. Kirche, das sind keine himmlischen Heerscharen, sondern Menschen mit all ihren Schwächen; der Kirchenstaat ist ein historisch und sozial konkretes Gebilde. Es war ja vor allem diese Konkretheit, die Hus, Luther und andere Reformatoren verstört hat.
    SPIEGEL: Vielleicht auch, weil die Konkretheit so krude Formen wie die von käuflichen Ablassbriefen annahm? Roms einnehmendes Wesen und sein Paktieren waren vielen seit langem suspekt. Musste sich die Kirche wirklich so tief in weltliche Angelegenheiten verstricken?
    BRANDMÜLLER: Das weltliche Regiment über den Kirchenstaat hinaus hat nicht einmal Innozenz III ., dem viele Historiker den größten Herrschaftsanspruch aller Päpste zuschreiben, für sich reklamiert. Hier würde ich eher die Feldzüge im territorialen Interesse des Kirchenstaates anführen. Die Ablassangelegenheit verhält sich viel zu differenziert, als dass sie hier nur plakativ dargestellt werden sollte.
    SPIEGEL: Immerhin, der Staufer Friedrich II . wurde vom Papst für abgesetzt erklärt – ein klarer Eingriff in die weltliche Herrschaft. Wollen Sie abstreiten, dass kuriale Kirchenrechtler die Kaiser und Könige als Vasallen des Papstes darstellten, ihn also deutlich an die Spitze setzten?
    BRANDMÜLLER: Vorsicht, um Begriff und Sache hat man nicht umsonst lange gerungen. Es gibt da zum Beispiel das Bild vom Mond, der sein Licht von der Sonne empfängt.
    SPIEGEL: Solche Sprachregelungen gefielen den Kaisern verständlicherweise gar nicht.
    BRANDMÜLLER: Aber gemeint ist doch erst einmal: Der Kaiser ist nicht über der Kirche, sondern Glied der Kirche, untersteht also in geistlicher Hinsicht dem obersten Hirten, von dem er schließlich auch die Krone empfangen hat. Was sollte daran falsch sein in einem Europa, das sich als Christianitas, Christenheit, verstand?
    SPIEGEL: Hervorgebracht hat der Prioritätsanspruch einen langen, erbitterten Kampf, angefangen mit dem Investiturstreit; König Heinrichs IV . Demütigung in Canossa im Jahr 1077 war ja nur das erste Fanal einer Serie schwerer Konfrontationen. Wie könnte man das schönreden?
    BRANDMÜLLER: Das sollte man auch nicht. Waren Sie einmal in Canossa? Sehr beeindruckend, diese Burg auf einer Felsnadel. Aber von Demütigung würde ich nicht sprechen. 1077 gab es keinen Sieger und keinen Besiegten. Durch seine Buße zwang Heinrich IV . den Papst, ihn loszusprechen – und rettete damit sein Reich und seine Krone. Erst Bismarck mit seinem »Nach Canossa gehen wir nicht« hat den Namen zur Kampfparole gemacht.
    SPIEGEL: Mag sein, aber hat Rom während des Hochmittelalters nicht, mit Verlaub, zu hoch gepokert?
    BRANDMÜLLER: So pauschal kann man das kaum sagen. Es ist allerdings vorgekommen, dass Päpste ihren irdischen Herrschaftsanspruch überzogen haben. Muss ein Papst zum Beispiel unbedingt um das Territorium des Kirchenstaats einen Krieg führen? Andererseits: Soll er es sich wehrlos nehmen lassen? Hätte ein Kaiser den Papst so degradiert oder wenigstens umfunktioniert, wären wir wieder in Byzanz angekommen, wo die Patriarchen dem Regenten gefügig waren.
    SPIEGEL: Fest
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