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Die Päpste: Herrscher über den Glauben - von Petrus bis Franziskus - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Die Päpste: Herrscher über den Glauben - von Petrus bis Franziskus - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Titel: Die Päpste: Herrscher über den Glauben - von Petrus bis Franziskus - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
Autoren: Norbert F. Pötzl
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Hurenwirte und aller Unzucht, auch die nicht zu nennen ist, ein Widerchrist, ein Mensch der Sünden und Kind des Verderbens, ein rechter Bärwolf«.
    Selbst den Teufel und den Antichristen sah der Reformator im Papst verkörpert – Schmähbilder, die protestantische Künstler sogleich begeistert aufgriffen. Vom »Papstesel« bis zum apokalyptischen Ungeheuer mit Tiara zog etwa der phantasievolle Lucas Cranach d. Ä. alle Register der Karikatur. Die Angriffe, durch den jungen Buchdruck massenwirksam verbreitet, konnte der Katholizismus kaum in gleicher Münze heimzahlen; die allbekannten Insignien von Papst- und Mönchtum aber eigneten sich vortrefflich zum visuellen Spott.
    Auf Pressefehden um sein Image ging die stolze römische Kurie so gut wie nicht ein. Wenigstens traten die Päpste nun etwas bescheidener auf: Seit dem faktischen Scheitern spiritueller Großmachtansprüche und dem Einzug des Humanismus zeigten sich die Stellvertreter Christi nicht mehr ostentativ in Triumphpose.
    So ließ sich Julius II ., der immerhin Truppen geführt und 1506 den Grundstein zum neuen Petersdom gelegt hatte, vom Malerstar Raffael als weiser, besorgter Altvater des Glaubens darstellen. Auch sein Nachfolger Leo X . beauftragte Raffael zu einem Porträt ähnlichen Typs. Während Nordeuropa bis um 1650 immer wieder von blutigen Fehden mit konfessionellem Hintergrund erschüttert wurde, setzten die Päpste vorwiegend auf Festigung dessen, was sicher bleiben sollte: Territorial im Kirchenstaat, geistig in Bibliothek, Archiv und Geschichtsschreibung, äußerlich durch nützliche, möglichst pompöse Bauten und Kunstwerke. Denn so eifrig das Papsttum mit dem Konzil von Trient oder dem neuen, geistkämpferischen Jesuitenorden einzuholen versuchte, was glaubenspolitisch verspielt war – intellektuell sah sich die Kirche der Barockzeit aus ihrer bisherigen Führungsrolle verdrängt.
    Neuen Wissenschaftszweigen wie der philologischen Textkritik, experimenteller Naturforschung und erst recht dem Selbstbewusstsein aufgeklärter Vernunft hatte Rom wenig entgegenzusetzen. Da lag es nahe, zumindest das Feld der großen Emotion imagepolitisch zu besetzen. Repräsentant dieser letzten Aufwallung ins Erhaben-Monumentale wurde der geniale neapolitanische Künstler Gian Lorenzo Bernini (1598–1680).

Denkmal Urbans VIII .
    (Marmorskulptur von Gian Lorenzo Bernini, um 1640)
    GETTY IMAGES

Ein erstes Zeichen setzte er im Petersdom mit dem riesigen und doch verspielten Altarbaldachin, für dessen bronzene Korkenziehersäulen unter anderem – zum Entsetzen von Altertumsfreunden – Deckenverkleidung des antiken Pantheons eingeschmolzen worden sein soll. Bernini war es auch, der Jahrzehnte später die beiden wuchtigen, perspektivisch trickreich konstruierten Säulenkolonnaden vor die Fassade stellte, ein gebautes Umarmungssymbol für den weiterhin allumfassenden Seelsorge- und Lehranspruch des Katholizismus. Höhepunkt von Berninis skulpturaler Rhetorik aber wurde das Gedenkporträt seines großen Gönners, Urbans VIII .
    Die pompöse Marmorfigur, 1640 im Auftrag der Stadt Rom vollendet, zeigt einen segenspendenden, tiarabekrönten Wundermann in dekorativ wallenden Gewändern. Wie souverän Faltenwurf, Spitze und Stickereien aus dem Marmor gemeißelt sind, verblasst vor dem Gesamteindruck: Überirdisch beseelt, fordert diese Gestalt Ehrerbietung von den Betrachtern; sie brauchen nichts mehr zu deuten, schon gar nicht in furchtsamem Respekt zu erstarren, sondern sollen ganz unmittelbar majestätische Huld empfinden.
    Der Appell ans Gefühl war freilich nichts, womit die Päpste lange auftrumpfen konnten. Raffael wie später Bernini und ihre vielen Kollegen trafen das Empfinden des Publikums auch in ihren sehr weltlichen Werken. Protestantische Kirchenmusik rührte mindestens ebenso tief die Herzen wie weihevolle Messen. Für Kritiker Roms bot teure künstlerische Pracht zudem ein willkommenes Ziel – falls sie sich mit derlei Äußerlichkeiten noch abgaben. Denn selbst unter gemäßigten Aufklärern des 18. Jahrhunderts, die Gott nicht rundweg leugneten, galt das Papsttum in der Regel als Zentrum geistiger Finsternis.
    So nutzte Voltaire, emanzipatives Gewissen seines Jahrhunderts, jede Gelegenheit, sich über Heilige Väter lustig zu machen. Den berüchtigten Borgia-Papst Alexander VI . (1492–1503) ließ er im Haus seiner Geliebten kichernd einen Inzest bekennen und dann darüber maulen, es sei doch auch für den Papst wenig sinnvoll, »Gott zu
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