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Die Oder gluckste vor Vergnügen

Die Oder gluckste vor Vergnügen

Titel: Die Oder gluckste vor Vergnügen
Autoren: Rolf Ulrici
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»Ach«, hauchte sie. Und schon verlor ich den Boden unter den Füßen und versank in einem endlosen Kuß.
    Als sie sich von mir löste, schaute sie mich an, als müsse sie sich erst besinnen, was geschehen sei. Dann stellte sie die Kanne hin und wirbelte in wilder Lustigkeit auf dem Absatz herum. »Was du gesagt hast!« rief sie. »Hast du gehört, was du gesagt hast?«
    Ich hatte »liebste Frau« gesagt. Frau. Und deshalb die Schulmädchenfreude. Sie hopste auf eine Bank.
    »Wie befindet sich das Seelische jetzt?« fragte ich.
    »Es kriegt Zwillinge. Und du bist der Vater!«
    Ich hob sie von der Bank und hielt sie fest, so daß sie in der Luft schwebte. Ihr Kinn lag auf meiner Stirn.
    »Heiratest du mich?« fragte sie ernsthaft über meinen Kopf hinweg. »Hast du die Kraft zu warten?«
    Auf keinen Fall hatte ich die Kraft, dies zu verneinen. Ich ließ sie zwei Handbreit heruntergleiten, bis die Münder auf gleicher Höhe waren. Es folgte der nächste seelische Anfall. Dann hörten wir ein Poltern und fuhren auseinander. Wie Knecht Ruprecht aus dem Winterwald kam Bibi mit ihrer Kapuze herein. Sie warf einen Haufen Bretter vor den Ofen. »Was sagt ihr nun?«
    »Gibt’s eine Holzhandlung auf der Insel?« fragte ich.
    »Nee, aber ein Klo-Häuschen«, erwiderte Bibi prosaisch. »Da habe ich eine Wand abmontiert.«
    Und nun wurde es sehr lustig. Wir kochten und schwatzten und lachten durcheinander. Der Ofen knatterte, das Essen dampfte. Vergnügt setzten wir uns zu Tisch. Bibi hatte zwar wieder das Salz vergessen, aber Cotta konnte ihr keine Vorwürfe machen, denn diesmal hätte sie selber daran denken können. Und übrigens schmeckte das Essen heute auch ohne.
    Die Lampions schimmerten und schaukelten leise zu unseren Häuptern. Ich bereitete einen Grog. Und Bibi und Cotta machten Pläne.
    »Hier, gleich östlich, ist die Buchheide«, sagte Cotta, »der schönste Wald von Norddeutschland, wie Rex’ Kollege Emanuel Geibel behauptet.«
    »Ich will Mühlen sammeln«, erklärte Bibi. »Bei Stettin soll’s haufenweise welche geben. Eine Schmetterlingsmühle, eine Kuckucksmühle, eine Kaisermühle, eine Klappmühle... und sogar eine Mutgebermühle.«
    »Mut brauchst du keinen, und außerdem ist das nicht hier, sondern im Eckerberger Forst, nördlich von Stettin, und es sind keine Mühlen mehr, sondern Lokale«, sagte Cotta belehrend.
    »Dann fahren wir zum Dammschen See nach Lübzin. Da stammt Lümmel her. Die Dammschen Aale sind die besten, hat er gesagt. Aal weißgekocht ist sein Leibgericht.«
    »Soll sich selber weißkochen«, sagte Cotta.
    Bibi lachte. Beim Grog, unter den Lampions, erzählten sie mir von ihren Swinemünder Abenteuern. »Der Schmitt war ja restlos verknallt in Cotta«, berichtete Bibi.
    »Ja«, lachte Cotta. »Er wollte am liebsten bald heiraten und viele Kinder haben.«
    »Lümmel auch. Nur, wahrscheinlich, erst das eine und dann das andere«, meinte Bibi.
    Das Wasser für die zweite Portion Grog zischte auf dem Ofen. Cotta nahm die Geige und kratzte hilflos eine rhythmische Weise, zu der ich mit Bibi zu tanzen versuchte.
    »Wo nehmen wir die Musik her, wenn ich auch mal tanzen will?« fragte Cotta.
    »Ich blas 5 was auf dem Kamm«, sagte Bibi. »Paß auf, das klingt viel besser.«
    Es klang tatsächlich wie Saxophon. Es klappte nur immer dann nicht, wenn ich Cotta etwas zu zärtlich in den Arm nahm. Dann setzte Bibi den Kamm ab und legte eine kurze, aber demonstrative Pause ein.
    Als der Grog getrunken war, erhob sich das Schlafproblem. Im Boot fehlten zwei Fenster, und der Fußboden hier sah wenig vertrauenerweckend aus.
    »Ich weiß, wir schlafen auf den Tischen«, schlug Bibi vor. Ich prüfte die Stabilität dieser Möbel. Sie hatten nur je zwei Beine. Mit der anderen Schmalseite waren sie in der Hüttenwand verschraubt. Aber es würde gehen. Wir packten alles, was trocken war, als Unterlage darauf und behielten je eine Decke als Oberbett. Ich tat noch ein paar Bretter in den Ofen, dann begaben wir uns zur Ruhe.
    Bald herrschte Stille und eine in Anbetracht der Umstände immerhin mollige Gemütlichkeit. Draußen rauschten die Büsche und Bäume und die Oder und das Schilf. Eintönig trommelte der Regen auf das Hüttendach. Ich lag mit offenen Augen und glaubte alles, was heute geschehen war, nur geträumt zu haben.
    »Rex?« Ein leises Flüstern an meinem Ohr. Es war Cotta. — »Ja?«
    »Sag mir, daß du mich liebst!« Ihr Pagenkopf kuschelte sich an meine Schulter.
    »Komm auf meinen Tisch«,
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