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Die Oder gluckste vor Vergnügen

Die Oder gluckste vor Vergnügen

Titel: Die Oder gluckste vor Vergnügen
Autoren: Rolf Ulrici
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Rex

    Luftpost.
    Von Stuttgart nach Kalifornien.

    Lieber Rex,
    bist Du gehirnkrank?
    Oder nein, Du bist ein Filmschnulzenfritze und verschüttest zum Schluß noch rasch einen Kübel Honig, daß den Leuten die Augen triefen.
    Ich Dich heiraten?
    Rex, Dir ist der Happy-End-Fimmel zu Kopf gestiegen. Du mußt aus diesem Kalifornien weg. Ich rate Dir. Ich habe alle Deine Reisenotizen noch einmal gelesen, im Hinblick auf Bibi und im Hinblick auf mich. Hast Du nicht mehr an den Zöpfen gehangen? Ich glaube Dir, daß Du treu bist. Du hast Bibi die Treue gehalten. Aber, Rex, was stellst Du Dir vor? Soll ich Dich heiraten, damit Bibis Andenken eine Heimstätte hat? Soll ich mich zeitlebens mit Dir über Bibi unterhalten? Das ist die fixe Idee eines Luxuspatienten in Hollywood. Rex, ich bin eine realistische Person. Polizeiärztin. Du wirst über diesen Beruf nur Deine Filmvorstellung haben. Ich gehöre zu einer Mordkommission. Vorgestern hatte ein Mann in der Bahnhofsgegend seine Familie ermordet. Ich arbeitete drei Stunden in diesem Idyll, bis wir heraushatten, welcher Waffe er sich bediente. Es war der Küchenherd. Er hatte die Leute mit dem Hinterkopf... aber das genügt. Wenn ich nach solchen Intermezzi in meine Wohnung komme und finde Briefe aus Beverly Hills, so ist das für mich beinahe Legende. Aber für Dich ist Legende Beruf. Lieber Rex, eine eiskalte Abfuhr (wie Du sagen würdest!).
    Deine Cotta

    Liebe Cotta,
    ich habe es nicht anders erwartet. Ich hätte es ja auch schlauer anstellen können. Aber wenn die Knochen nicht so wollen, will die Seele fliegen. Ich bin eine ungeduldige Natur. Ich sage also:
    Daß Du, wie ich Dich gekannt habe, allein bleiben willst, ist nicht zu glauben. Bist doch erst achtunddreißig, neununddreißig, nicht? Nun, schön. Du wirst über kurz oder lang wieder heiraten. Aber wenn — warum nicht einen, der Dich als Kind gekannt hat?
    Was mich angeht, ich will keine Frau, die mich als graumelierten Mittvierziger kennt. Ich will eine, die mich mit dem Bootshaken ins Wasser fallen sah. Und die über die Leidenschaftlichkeit meiner dummen Jahre nicht nur durch Hörensagen orientiert ist. Klein-Willi mit dem großen Hut.
    Dein Rex

    Lieber Rex,
    wir haben uns doch nur vierzehn Tage gekannt, weißt Du das nicht mehr? Aber es stimmt, die Fahrt ist zu dem geworden, was Du in Deinen Drehbüchern Schicksal nennen würdest. Ich habe ja den Oberleutnant Schmitt aus Swinemünde später in Kiel wiedergetroffen und geheiratet. Mein Sohn Thias ist also auch ein Andenken an diese Reise, wenn auch ein indirektes, denn er erschien erst nach drei Jahren. Mein geschiedener Mann ist Korvettenkapitän in der Bundesmarine.
    Doch das nur nebenbei. Ich erinnere mich, daß mein Vater mit Wohlwollen auf Dich schaute, das ist das einzige, was für Dich spricht. Aber es gibt doch Dinge, die hätten vermieden werden können, so jung man war. Das ist keine Sache der Jugend, sondern des Charakters.
    Ich habe es jahrelang nicht verwinden können, wie Du mich mit Bibi hintergangen hast. Dies hätte ich nie erwähnt. Wenn aber eine Entscheidung davon abhängt, muß ich es tun.
    Cotta

    Liebe Cotta,
    das klingt so ernst. Ich Dich betrogen? Willst Du die Kindergedichte, die paar Küsse und Schwächeanfälle auf die Waage legen? Ich habe Dir ehrlich alles geschrieben. Mehr war nicht.
    Rex

    Rex, Du Lügner!
    Sicher meine ich nicht »die paar Küsse«. Ich meine vor allem den Schluß Deiner Geschichte, der Deinem Gedächtnis anscheinend entfallen ist. Übrigens äußerst aufschlußreich für Deinen Charakter!
    Cotta

    Liebe Cotta,
    ich erinnere mich dunkel. Ich habe die Blätter ja seit Jahren nicht in der Hand gehabt. Was nun diesen Schluß betrifft, so muß ja die Phantasie mit mir durchgegangen sein. Verzeihlich, denn die Geschichte erforderte doch eine Pointe. In Wirklichkeit war zwischen mir und Bibi gar nichts. Ehrenwort.
    Rex

    Lieber Rex,
    das war also Deine letzte Chance, Du hast sie vertan. Nun bist Du auch noch meineidig. Mit einem Meineidigen darf man kein Mitleid haben. Wenn Du also in den nächsten Tagen einen Schock bekommst, an dem Du infolge Herzschlags wegbleiben solltest, wäre das wohl nur gerechte Sühne. Kannst Du mir 2000 DM leihen? Möglicherweise ohne Rückerstattung? Oder entblößt Dich die Krankheit Deiner Reserven?
    Cotta

    Liebe Cotta,
    da ich an den Einspielergebnissen zweier schlechter Filme beteiligt war und ein Vermögen verdient habe, verfüge ich über Reserven. Die 2000 DM sind angewiesen.
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