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Die Oder gluckste vor Vergnügen

Die Oder gluckste vor Vergnügen

Titel: Die Oder gluckste vor Vergnügen
Autoren: Rolf Ulrici
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Und beschwören? Und... beküssen? Es ist mir klar, daß ein Mann in Cotta verliebt sein muß. Cotta ist schön. Ich bin nur hübsch. Wenn überhaupt. Aber daß Cotta mich so hintergeht...« Sie blickte in ihre Bonbontüte. »Wie kann man mir so viel vorschwindeln?«
    Das ging wieder auf mich. Sie fügte hinzu: »Und wo du mich nun gar nicht magst...«
    »Liebe Bibi«, sagte ich, »ich bin zwar kein Dichter der Leistung nach. Meine gesammelten Werke ruhen im Schöße der Zukunft. Aber ich habe gewisse lyrische Voraussetzungen. Ich weiß das Schöne zu schätzen. Und das Göttliche.«
    »Willst du einen Bonbon?«
    »Bitte.«
    »Ja, und?«
    »Eben drum«, sagte ich. »Wenn Cotta liebenswert ist, brauchst du es nicht minder zu sein. Es ist nur eine Frage der Entscheidung. Ich habe jetzt Cotta gesagt, also darf ich nie wieder Bibi sagen. Wo wir nun mal beim großen Aufwaschen sind. Du sollst wissen, wie’s ist.«
    »Ich werd’s überwinden«, meinte Bibi. »Aber ich denke, zwischen dir und Cotta ist alles kaputt?«
    »Ja, aber damit du’s weißt. Reiner Tisch, verstehst du?«
    »Klar«, sagte Bibi. »Zwischen dir und mir war’s schon fünf Minuten früher kaputt. Und zwischen Cotta und mir auch. Nun geh mal.«
    Das war das prosaische Ende mit Bibi.
    Ich ging in die Hütte. Cotta fuhr im Dunkeln hoch wie eine getretene Schlange. »Ist da Bibi?«
    »Nein, ich.«
    »Nimm deine Decke und geh!«
    »Jaja«, sagte ich, griff nach einer Decke und ging wieder hinaus.
    »Bibi?«
    »Ja?«
    »Eine Decke.«
    »Danke.«
    »Und, Bibi...?«
    »Ja?«
    »Darf ich aufs Boot? Cotta ist wie eine Furie.«
    »Geliebte Furie«, sagte Bibi. »Na, dann komm.«
    Ich kam. Ich sagte gleich: »Ich liebe Cotta trotzdem. Und ich will mit dir keine Versöhnung. Hab keine Angst!«
    »Rexchen«, sagte Bibi, »ich bin heute am Hauen. Ein zärtliches Wort von dir, und du hast zwei geschwollene Augen. Ich bin keine Gans für einen Fuchs.« Sie hüllte sich in ihre Decke.
    Ich legte mich auf die andere Polsterbank. Ein später Kahn tuckerte vorbei. Pustekohls Boot schaukelte still. Freud oder Leid — die Oder floß immer.
    »Schade«, sagte Bibi, »daß Männer keine Kinder kriegen können. Sonst würde ich dich verführen, nur um Cotta eins auszuwischen.«
    »Sprich nicht so durchtrieben«, murmelte ich.
    »Hm«, meinte Bibi. »Eigentlich hab’ ich mir ja selbst Sand in die Augen gestreut. Eigentlich hab’ ich ja alles gemerkt. Damals, als Cottas Vater kam... Na, dann gute Nacht. Träume schön von ihr.«
    »Danke.«
    Nach einer Weile: »Rex?«
    »Ja?«
    »Du mußt dir eine Decke holen.«
    »Ums Verrecken nicht. Ich geh’ nicht wieder in die Hütte.«
    »Du frierst.«
    »Ich würde unter zehn Decken frieren«, sagte ich. »Nach allem.«
    »Das hast du dir selber zuzuschreiben.«
    »Ich leugne es nicht.«
    Schweigen. Dann: »Rex?«
    »Ja?«
    »Ich gebe dir etwas von meiner Decke ab. Komm ruhig her. Da wir ja nun sowieso auseinander sind, können wir auch beieinander liegen.«
    Ich richtete mich auf.
    »Bibi«, sagte ich.
    »Rexchen?«
    »Ich liebe Cotta ein für allemal.«
    »Na, fein. Das ist eine Garantie. Die halbe Decke liegt bereit.« Sie lag eine halbe Stunde bereit, die halbe Decke. Dann lag ich darunter. - Ich hatte Bibis Gesicht in meinen Händen. Die zarten Ohrläppchen stülpten sich an meinen Zeigefingern um.
    Bibi weinte. Die Küsse waren salzig. So salzig. Obwohl sie das Salz doch sonst immer vergaß. Bibi weinte endlos. Es war erstaunlich, wieviel Tränen sie hatte.
    »Was soll ich denn jetzt machen?« fragte ich verzweifelt. »Auch heulen?«
    »Ich heule immer nur Cottas wegen«, sagte Bibi. Allmählich wurden aus den Tränen ebenso viele Küsse. Ich konnte wieder gar nichts dafür.
    »Daß du schwach bist«, sagte Bibi fröhlich, »macht mir nichts. Ich liebe keine starken Männer. Ich bin selber stark. Ich bin... bin...«
    Sie sagte nichts mehr. Nur einmal noch: »Rex, wir sinken.«
    »Das Boot liegt genau wie vorher.«
    »Es ist aber so... Oh, ich... versinke.«

    Daß nach dieser Nacht ein Schicksalsschlag folgen mußte, war klar. Das heißt, das begriff ich erst hinterher, daß die Dramaturgie des Lebens an ihren Gesetzen festhält, ja überhaupt welche hat. Im Augenblick war ich wie vom Donner gerührt. Ich erwachte aus schwerem Schlummer, als Bibi, im Trenchcoat, neben mir stand.
    »Rex!«
    Ich sah ein völlig verändertes Gesicht.
    »Cottas Vater ist tot.«
    »Wie?«
    »Der Dampfer ist da«, sagte Bibi. »Bitte bring uns im
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