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Die Obelisken von Hegira

Die Obelisken von Hegira

Titel: Die Obelisken von Hegira
Autoren: Greg Bear
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Meister.
    Aber wenn jemals ans Licht kam, wer seinen Vater, seine Mutter und seine beiden Schwestern getötet hatte … Barthels wiegender Schritt versteifte sich. Er wußte nicht, was er dann tun würde. Er war jung und kein Kämpfer. Zu Zeiten wünschte er sich, er könnte ein Kämpfer sein und Sulay töten, den alten fischkalten Sulay, der sich nur für zurückgelegte Kilometer und Bestätigungen der Größe Sulays interessierte.
    Aber das Gebot des Augenblicks hieß Nahrung. Er entdeckte einen sauber wirkenden Stand, der Fladenbrot, Becher mit Kaffee und frisches Gemüse feilbot. Um Fleisch kümmerte er sich nicht weiter. Wie die Momadaner auf Hegira waren auch die Ibisier größtenteils keine Fleischesser. Sie aßen nur Gemüse, Obst sowie Fisch und Geflügel.
    Er feilschte geschwind und ohne Gnade. Der Standbesitzer, ein Mann viermal so alt wie Barthel, lächelte und gab ein wenig nach. Schließlich wurde ein Preis vereinbart, und sie verschränkten die Daumen.
    Die Pakete waren schwer, und Barthel beschloß, einen Dampfwagen zu mieten. Als er sah, daß in der Nähe keiner verfügbar war, rief er statt dessen eines der von einem Fahrrad gezogenen Taxis an. Der Pedaletreter war nur wenig älter als er und musterte ihn mit scharfen dunklen Augen und zusammengekniffenen Lippen. Das Fahrgeld schien kaum des Herausnehmens wert. Aber der Pedaletreter bestieg sein hölzernes Zweirad und strampelte ohne Anstrengung auf und ab durch die mit flachen Kopfsteinen gepflasterten Kuhlen und Gossen. Barthel ließ in seiner Wachsamkeit nach und entspannte sich, um die Umgebung mit mehr Ruhe zu betrachten. Es schien keine üble Stadt zu sein. Überall geschäftige Leute, und nur wenige waren lahm oder verkrüppelt oder sahen abgerissen aus. Das bestätigte ihn in seiner Zuneigung, die er für Mediwewas Hauptstadt gefaßt hatte.
    Der Bei unterhielt sich immer noch mit dem Büßer. Der junge Mann schwitzte und wirkte verunsichert, als Barthel eintrat. Seine Handbewegungen waren abgehackt, und er stotterte. Der Bei hingegen war so ruhig und bestimmt wie immer. Barthel ließ die Pakete in eine Ecke fallen und setzte sich hin, um zuzuhören.
    „Ich kann Euch nicht verraten, wie ich die Weisheit unseres Herrn Heisos Kristos sah. Das ist eine Privatangelegenheit.“
    „Kann es denn Privatangelegenheiten geben zwischen zwei Seelen, die um Erlösung ringen?“
    „Was diese Seele angeht, ja. Ihr jedoch mögt beichten, was Ihr nur wollt.“
    „Fra Jacome, ich habe viel von Euch gelernt. Wollt Ihr nicht versuchen, Eure Gesundheit für Gottes Werk zu stärken, indem Ihr mit uns ein Frühstück einnehmt?“
    „Ihr klingt fromm, Fra Bar-Woten. Aber ich weiß, Ihr seid’s nicht. Ihr treibt Euren Scherz mit mir.“
    „Mitnichten. Ich bitte Euch von ganzem Herzen, an unserem Mahle teilzunehmen.“
    „Ihr wißt, ich kann nicht essen, bis die Fastenzeit des Francis vorüber ist.“
    Barthel mißbilligte das, was der Bei da tat. Er köderte den Büßer, zog ihn auf seine Glieder hoch, nur um jene dann wieder unter ihm wegzureißen. Der Bei hatte eine tödliche Art, herauszufinden, wie andere Menschen dachten. Wie auf dem Seziertisch … Barthel erlaubte sich einen Augenblick des Richtens über seinen Meister.
    „Eure Gesundheit wird zuschande werden, und Ihr werdet sterben.“
    „Was bekümmert Euch meine Gesundheit? Ihr und Euresgleichen würdet uns doch eher auslöschen, als auf uns zu spucken!“
    Bar-Woten zuckte die Achseln und hob seine Augenbraue. „Freilich kann ich nicht für andere Ibisier sprechen. Für die mag’s vielleicht gelten. Ich für meinen Teil möchte nur wissen, was einen Mann sich selber peitschen läßt im Namen eines Gottes, welcher gütig ist.“
    „Mein Gott ist nicht gütig!“ bellte Jacome. „Er nimmt grausam fort und hat keine Gnade mit jenen, die seinen Willen nicht kennen und nicht danach handeln!“
    Barthel katzbuckelte vor Überraschung. Der Bei hatte den schwachen Punkt gefunden, den er brauchte.
    „Wie seid Ihr dann dazu gekommen, Ihn zu lieben? Aus Furcht?“
    Der Büßer versuchte zu sprechen, stammelte aber nur, verstummte dann ganz. Seine Augen glänzten vor Tränen und Zorn. „Ihr … Ihr Schnüffler“, brachte er fertig zu stottern. „Ihr verd-d-dreht meine Zunge wie eine Schlange.“
    „Ich bin neugierig“, sagte Bar-Woten. „Und betroffen.“
    „Ich erblickte das Licht Gottes mitten in einer Zeit der Qual, die so groß war, daß ich sie nicht ertragen konnte. Ich litt so tief, daß
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