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Die Nonne und die Hure

Die Nonne und die Hure

Titel: Die Nonne und die Hure
Autoren: Christa S. Lotz
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brachte eine grobgezimmerte Kiste. Zu zweit packten sie Celina und warfen sie hinein. Der Deckel klappte zu. Celina fühlte sich wie lebendig begraben.Das hatte sie doch schon einmal erlebt. Die Kiste wurde hochgehoben und eine Treppe hinuntergetragen. Mit einem Poltern landete sie auf Holz, das gleich darauf zu schaukeln begann. Ein Boot! Was hatte man mit ihr vor? Wollte man sie ertränken? Der Schweiß brach ihr aus allen Poren, sie wollte um Hilfe rufen, brachte aber nur ein ersticktes Krächzen heraus. Andere Boote fuhren mit einem leisen Rauschen vorbei. Ihre Insassen wurden von den beiden Männern gegrüßt. Während der Fahrt sprachen sie jedoch kein Wort. Das war also mein Leben, dachte Celina. Ich werde hinuntersinken in einen Kanal oder in die Lagune, werde immer tiefer sinken, Wasser wird in meinen Mund und meine Lungen dringen, und dann wird nichts mehr sein. Werde ich bei Gott oder in der Hölle erwachen?
    » Avanti «, sagte einer der Männer. Die Kiste wurde gepackt und hochgehoben. Celina schlug mit den Knöcheln an den Rand des Behältnisses. Doch die Männer kannten kein Mitleid. Mit einem Platschen schlug die Kiste auf dem Wasser auf. Celina sank hinein in das kalte Nass, betete ein letztes Vaterunser. Eine Szene trat ihr überdeutlich vor Augen. Sie saß mit ihren Eltern in Bassano del Grappa am Fluss. Der Vater angelte und lächelte ihr immer wieder zu. Die Mutter hatte einen Korb neben sich stehen, den sie nun auspackte und alles auf einer Decke ausbreitete. Da gab es duftendes Brot und Käse, herzhafte Würste, Trauben, Äpfel und Süßigkeiten. Mit einemmal wurde es dunkel. Ein riesenhafter Vogel landete im Wasser, mit bösen kleinen Augen und einem gebogenen Schnabel. Er verschlang einen Fisch, Blut spritzte auf Celinas weißes Kleid, und dann kam er, um auch sie zu verschlingen. Celina versuchte wegzulaufen, war aber wie am Boden festgewurzelt.
    Wieder packte sie jemand und tauchte mit ihr an die Oberfläche. Vor Kälte war sie ganz steif und halb besinnungslos.Celina hatte aufgehört zu atmen. Schneidend drang ihr die Luft in die Lunge. Sie wurde in ein Boot gezogen. Es war Nacht; im Schein einer Kohlenpfanne erkannte sie Christoph, der nass war und schlotterte, sowie Andriana.
    Christoph nahm sein Messer, schnitt ihre Handfessel durch und zog ihr das Taschentuch aus dem Mund.
    »Stell jetzt lieber keine Fragen«, sagte Andriana. »Du musst schnell ins Warme und Trockene, sonst holst du dir den Tod bei dieser Kälte.«
    »Wie kommt ihr …?«
    »Als du länger wegbliebst«, sagte Christoph, »bin ich zu der Wirtschaft gegangen und dann zu Andriana. Sie zeigte mir den Weg zu Breitnagels Haus. Ich habe dir glatt zugetraut, dass du dorthin gegangen bist.«
    »Und daraufhin …«
    »… haben wir die beiden Männer gesehen mit dieser merkwürdigen Kiste. Wir sind ihnen in einem Boot gefolgt.«
    »Wie bin ich denn da herausgekommen?«
    »Der Deckel war glücklicherweise nicht vernagelt, sondern mit einem Strick festgebunden.«
    »Gott sei Dank!«, rief Celina. Sie blickte sich um. »Seht, da steigt gerade Breitnagel in seine Gondel.«
    »Da wird er auch gut daran tun, denn jeden Moment können Immuti und zwei Männer der Signori della Notte auftauchen. Dein Brief ist sehr wohl gelesen worden, davon konnte ich mich überzeugen.«
    Einer der Männer stieß die Gondel vom Ufer ab. In diesem Moment erschienen Immuti und zwei Polizisten; sie kamen ebenfalls mit einer Gondel den Kanal entlang.
    »Ich will dabei sein, wenn ihr ihn einfangt«, rief Celina.
    Andriana holte zwei Decken und legte sie ihr und Christoph um die Schultern. Christoph griff zum Ruder und begann es, ins Wasser zu tauchen, erst langsam, dann immer schneller. Die Gondel mit Immuti und den Polizistenfolgte ihnen. Der Abstand zwischen ihnen und dem Boot, das sie verfolgten, wurde immer größer.
    Celina hatte eine Idee. »Wo sind wir genau?« Sie schlotterte, doch sie biss die Zähne zusammen.
    »In Castello, am Rio della Pietad«, gab Andriana zur Antwort.
    »Wir müssen ihnen den Weg abschneiden«, sagte Celina. »Es gibt keinen Seitenkanal, so weit ich weiß. Ich werde vorauslaufen und ihnen als Wasserleiche auf einer Brücke erscheinen.«
    »Celina!«, entfuhr es den beiden wie aus einem Mund. »Bist du verrückt geworden?«
    »Warum nicht? Sie haben es nicht anders verdient.«
    Als Antwort steuerte Christoph das Schiff ans Ufer, an das Celina mittels eines kleinen Steges sprang. Sie begann sofort in Richtung Calle di Lion zu
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