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Die Nonne und die Hure

Die Nonne und die Hure

Titel: Die Nonne und die Hure
Autoren: Christa S. Lotz
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Seligkeit«, sagte Immuti vernehmlich. Der Mann fuhr herum, und Celina erkannte ihn sofort wieder – die dunklen, stechenden Augen, den schwarzen Bart … Beim Anblick Celinas fiel Cornaro die Bibel aus der Hand, in der er gerade gelesen hatte. Er starrte Celina an.
    »Was schaut Ihr mich so an, Euer Seligkeit?«, fragte sie.
    »Wer wagt es, mich hier beim Gebet zu stören?«, gab er zur Antwort.
    »Wir haben einige Fragen an Euch zu richten, Euer Seligkeit«, antwortete Immuti.
    »Mit welchem Recht?
    »Ich bin Mitglied des Zehnerrates, und meine Begleiter haben mehr als berechtigte Gründe für Eure Befragung«, entgegnete Immuti. »Warum seid Ihr so angespannt?«
    »Ich glaubte, dieses Mädchen zu kennen. Ist es nicht Celina Gargana, die nach Konstantinopel gereist ist?«
    »Da hinkt Ihr der Zeit ein wenig hinterher, Francesco Patriarch Cornaro«, spottete Celina. »Ich bin seit zwei Tagen wieder da.«
    »Könnten wir nicht woanders miteinander reden?«, fragte der Partiarch.
    »Was schlagt Ihr vor?«, kam es von Immuti.
    »Gehen wir in die Sakristei.«
    Die Sakristei war mit niedrigen Stühlen, einem Tisch und einem geschnitzten Schrank ausgestattet. An einer Stange hingen die frisch gewaschenen Hemden der Chorknaben.
    »Dieses Gotteshaus ist noch nicht lange meine Titelkirche«, sagte Cornaro, wie um sich zu entschuldigen.
    »Aber vor einem Jahr gehörte sie schon zu Eurem Einzugsbereich, nicht wahr?« Celina war bereit, die Wahrheit über ihn auszusagen.
    »Ja, so ist es. Wie kommt Ihr darauf?«
    »Vor etwa einem Jahr kamt Ihr in das Kloster San Zaccaria und habt mich zuerst einmal der Nonnenweihe unterzogen und mir später das Angebot gemacht, Eure Geliebte zu werden«, fuhr Celina fort.
    Der Patriarch schaute sie entrüstet an.
    »Niemals würde ich so etwas tun! Wie kommt Ihr dazu, mich dermaßen zu beschuldigen?«
    »Ihr habt dieselbe Soutane und dieselbe Mütze getragen wie heute, ich erinnere mich genau. Ihr sagtet, dass Ihr das Kloster einer Prüfung unterziehen wolltet, weil Verfehlungen aufgedeckt wurden. Ihr sagtet, dass der Zehnerrat erwogen habe, die Todesstrafe für diejenigen einzuführen, die Verkehr mit einer Nonne hatten. Ihr fragtet mich, ob das Schweigegebot bei Tisch eingehalten werde. Dann habt Ihr die Küche und die Zellen inspiziert.«
    »Ich erinnere mich«, sagte der Patriarch. »Da war ein Loch in der Wand; zwei Nonnen hatten Männern Einlass ins Kloster gewährt – und die ganze Nacht Unzucht mit ihnen getrieben. Sie haben gegen die Regeln des heiligen Benedikt verstoßen!«
    »Ihr habt sie in den Arrest geschickt«, fuhr Celina ungerührt fort. »Schließlich habt Ihr noch die Hühner im Cellarium entdeckt und sie alle schlachten lassen.«
    »Das ist doch nicht verboten. Verboten ist es dagegen, persönlichen Besitz zu haben. Das alles ist in dem Bericht nachzulesen, den mein Schreiber damals niedergelegt hat.«
    »Aber hat er auch niedergelegt, was danach geschah?«, rief Celina.
    »Euer Seligkeit hat mich durch einen Boten zu sich bestellt und mich gefragt, ob ich mittellos sei. Auf meine Frage, wie ich dem Kloster entkommen könnte, sagtet Ihr, es hätte keinen Zweck zu fliehen, aber ich könnte Eure Geliebte werden.«
    »Das habe ich niemals gesagt, das Mädchen lügt«, rief der Patriarch, an Immuti und Christoph gewandt.
    »Als ich ablehnte, sagtet Ihr wörtlich zu mir: ›Ich mache dir dieses Angebot nur einmal. Du kannst es dir noch überlegen und mir durch Suor Mathilda eine Antwort zukommen lassen. Aber lass mich nicht zu lange warten. Einen Patriarchen lässt man nicht warten.‹«
    »Das hast du dir ausgedacht, Celina. Du hast geträumt. So etwas hättest du wohl gern gehört, arm und allein, wie du warst.«
    Etwas zerplatzte in Celinas Kopf. Einer Eingebung folgend, lief sie auf den Schrank zu und riss die Türen auf. Neben Priestergewändern lagen ein langer schwarzer Mantel mit Kapuze sowie eine Totenmaske darin.
    »Es ist nicht so, wie Ihr denkt!«, schrie der Patriarch und versuchte, zur Tür der Sakristei zu gelangen. Hans hielt ihn fest. Christoph holte Mantel und Maske aus dem Schrank.
    »Seht mal, sie sind beide noch nass!«, meinte er.
    »Die Nonne ist schuld, Celina«, kreischte der Patriarch. »Alle Nonnen waren selber schuld, weil sie mich verführt haben. Celina hat mich angesehen, als wolle sie mir auf der Stelle beischlafen! Ich wollte sie nicht töten, ich wollte auch Nanna nicht töten, aber Nanna wollte uns verraten, mich und meinen Freund Giovanni
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