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Die Nonne und die Hure

Die Nonne und die Hure

Titel: Die Nonne und die Hure
Autoren: Christa S. Lotz
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laufen. Ihr Herz drohte zu zerspringen, sie keuchte, kleine Atemwölkchen stiegen vor ihr auf und wurden beim Laufen beiseitegefegt. Schließlich erreichte sie die Brücke bei der Calle di Lion. Sie warf die Decke ab, die sie beim Laufen sehr behindert hatte, und stellte sich mitten auf die Brücke. Zwei späte Fußgänger starrten sie entgeistert an und fragten, ob sie Hilfe brauche. Da erschien ein Boot in schneller Fahrt. Leise Männerstimmen redeten miteinander. Zum Glück war auf der Brücke ein Kohlebecken befestigt, so dass die Ankömmlinge sie sehen mussten.
    »Dio mio«, hörte Celina sie rufen, einen lauten Schrei, und sie sah, wie die Männer sich bekreuzigten. Das Boot geriet ins Trudeln, einer von ihnen fiel ins Wasser.
    »Hilfe«, hörte sie schreien, »so helft mir doch.« Es war Breitnagel. Ein anderes Boot näherte sich mit klatschenden Ruderschlägen. Immuti reichte Breitnagel das Ruder, und gemeinsam mit den Polizisten zogen sie den dicken, tropfnassen Körper ins Boot.
    »Hiermit nehme ich Euch in Gewahrsam«, sagte einer der Signori , der andere ruderte zu den beiden Männern hin, die zusammengesunken in der Gondel kauerten. Alle drei wurden gefesselt, und die Komplizen wurden auf das Boot der Polizisten gebracht.
    »Ihr könnt jetzt nach Hause gehen«, sagte Immuti. »Ihr habt wieder einmal der Republik Venedig einen großen Dienst erwiesen.«
    »Da ist aber noch etwas«, sagte Celina.
    »Was könnte noch sein? Wir haben alle Schuldigen gefangen«, gab Immuti zurück.
    »Der Mann mit der Totenmaske. Ich habe einen Verdacht, wer es sein könnte.«
    »Lion hat einen Mörder gedungen, das haben wir doch schon herausgefunden«, sagte Immuti etwas ungeduldig.
    »Aber wir wissen nicht, wer es ist!«
    »Kommt morgen zu mir in mein Haus, da können wir es in Ruhe besprechen«, schloss Immuti das Gespräch ab.
    Trotz ihrer Aufregung schlief Celina fest in dieser Nacht im Fondaco dei Tedeschi. Am anderen Morgen begab sie sich mit Christoph zu Immutis Haus. Es war ein kleiner Stadtpalazzo am Zattere.
    »Was habt Ihr nun herausgefunden, Celina?«, begann Immuti ohne Umschweife.
    »Ich hatte im Kloster San Zaccaria einmal eine Begegnung mit dem Patriarchen«, erzählte sie.
    »Mit Francesco Cornaro?«, fragte Immuti.
    «Ich weiß nicht mehr, ob er so hieß. Auf jeden Fall wollte er, dass ich seine Geliebte werde. Er sagte, ich solle ihn nicht zu lange warten lassen, einen Patriarchen lasse man nicht zu lange warten.«
    »Das ist kein Beweis«, meinte Immuti.
    »Ich habe auch keinen Beweis gegen ihn, aber so langeder Mörder sich auf freiem Fuß befindet, habe ich keinen ruhigen Moment mehr!«, rief Celina aus.
    »Wir könnten ihn doch aufsuchen und ihn zu dem Vorgefallenen befragen«, warf Christoph ein.
    »Also, ich weiß nicht, aber ein Patriarch … das ist ein hoher Würdenträger. Er trägt den Titel eines Kardinals«, überlegte Immuti.
    »Der Abt Giovanni Lion war auch ein ehrenwertes Mitglied der Kirche«, protestierte Celina, »was ihn nicht davon abhielt, seine Freveltaten zu vollbringen!«
    »Ich muss noch ein Schreiben herrichten, dann komme ich mit euch«, gab sich Immuti geschlagen. Kurze Zeit später befand er sich mit Celina und Christoph auf dem Weg zum Markusplatz.
    »Wisst Ihr, wo wir den Patriarchen finden können?«, fragte Celina.
    »Ich werde im Dogenpalast nachfragen, da wird es sicher jemand wissen«, entgegnete Immuti. Sie erreichten den Markusplatz, der jetzt, am frühen Morgen, noch nicht sehr belebt war. Immuti bat sie, vor dem Palast zu warten, lief die Treppe hinauf und verschwand im Eingang.
    »Der Patriarch sei in die Kirche San Zaccaria gegangen, wurde mir gesagt«, berichtete Immuti.
    Celina wurde es heiß. Ausgerechnet in San Zaccaria sollte sich der Patriarch befinden, gleich hier um die Ecke, in dem Kloster, in dem sie so Schreckliches erlebt hatte? Sie folgte Christoph und Immuti durch die Gassen, die zum Kloster führten. Vor einem Jahr war sie hier mit ihrem Onkel Eugenio unterwegs gewesen, und sie hatte befürchtet, nie mehr aus diesem Kloster herauszukommen. Die Fassade der Kirche San Zaccaria war mit Marmor verkleidet. Der Geruch von Weihrauch umfing Celina, nachdem sie das dämmerige Schiff betreten hatten. Eine alte Frau mit einer schwarzen Spitzenhaube stand vor einem Seitenaltar. Vor dem Hauptaltarkniete ein Mann im Priestergewand. Er rührte sich nicht, als sie mit hallenden Schritten näherkamen.
    »Seid gegrüßt, Francesco Patriarch Cornaro, Euer
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