Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Nomadengott-Saga 01 - Der Nomadengott

Die Nomadengott-Saga 01 - Der Nomadengott

Titel: Die Nomadengott-Saga 01 - Der Nomadengott
Autoren: Gerd Scherm
Vom Netzwerk:
kamen. Die Leute gewöhnten sich an, heimlich zu essen. Sie brieten sogar das Fleisch außerhalb der Stadtmauern, das Brot wurde in den umliegenden Dörfern gebacken, und ihre Herden versteckten sie in den Bergen. So täuschten sie dem Tyrannen Tiglat vor, dass es nichts zu essen gebe. Jeden Tag zogen keifende Weiber zum Palast und jammerten, wie schlecht es ihnen gehe. Und als eingefleischter Egoist war er natürlich so blind und borniert, dass er die Wahrheit nicht sah.« Elias lachte. »Die Leute von Jericho wussten sich schon immer zu helfen.«
    »Aber wenn sie mit ihm wegzogen, hatten sie doch auch nichts davon«, wandte Seshmosis ein.
    »Wer sagt denn, dass sie mit ihm gingen?«
    »Nun, ich dachte, weil doch viele damals Jericho verließen.«
    »Mein junger Freund, ich glaube, langsam durchschaue ich Euch.«
    Seshmosis errötete, doch bevor er etwas sagen konnte, fuhr Elias fort.
    »Ihr seid wirklich ein Nachkomme von Tiglat und seinen Söhnen, aber Ihr kommt nicht aus Gaza, sondern aus Ägypten, habe ich Recht?«
    »Ja, Ihr habt Recht. Und ich heiße auch nicht Raffim, das ist ein anderer Mann meines Stammes, sondern Seshmosis. Aber ich bin wirklich ein Schreiber. Es tut mir Leid, dass ich versuchte, Euch zu täuschen. Ich hatte Angst, Ihr würdet Ägyptern gegenüber vielleicht nicht wohlgesonnen sein.«
    »Schon gut, junger Freund. Ihr wisst nicht, was man hier von Rückkehrern aus Ägypten hält, und wart deshalb vorsichtig. Das kann ich gut verstehen, denn wir halten wirklich nicht viel von denen. Zumindest von den meisten. Aber dazu später. Zuerst will ich Euch noch die Geschichte von Tiglat zu Ende erzählen. Es war nämlich keineswegs eine große Auswanderung, ganz im Gegenteil. Tiglat war ein alter Egoist, und er wollte seine Leute einfach im Stich lassen. Sollten sie doch verhungern, Hauptsache, er hatte zu essen. So befahl er seinen Söhnen und Enkeln, alle Häuser nach Nahrungsmitteln und verstecktem Vieh zu durchsuchen und das Gefundene zu beschlagnahmen.
    Die Söhne spielten das Theater mit, denn sie waren anständige Männer und hassten ihren Vater. Die Bewohner von Jericho standen stumm mit gesenkten Köpfen am Straßenrand, als die Familie des Patriarchen nach Ägypten aufbrach. Erst als sie außer Hörweite waren, brach der Jubel los. Nach einigen Wochen kehrte der älteste Enkel des Tyrannen, Shamir, zurück – der Liebe zu seiner Rachel wegen. Die beiden heirateten, und Shamir wurde bald darauf der neue Patriarch von Jericho. Er war einer der gütigsten und weisesten Herrscher unserer Stadt. Noch heute spricht man mit großem Respekt von Shamir. So, nun kennt Ihr die wahre Geschichte.«
    Seshmosis war gerührt und wischte sich eine kleine Träne aus dem Augenwinkel.
    »Danke, edler Elias, vielen, vielen Dank!«
    »Ihr braucht Euch also Eurer Vorfahren keineswegs zu schämen. Wie Ihr gehört habt, haben die Söhne von Tiglat ihre Heimat und ihr Zuhause geopfert, um dem Volk von Jericho zu helfen. Dafür werden sie bis heute verehrt. Und auch Eurer Rührung müsst Ihr Euch nicht schämen, sie zeigt mir, dass Ihr ein guter Mensch seid.«
    Seshmosis war dankbar für so viel Güte, und Schedrach war dankbar für so viel Kuchen. Er hatte während der Erzählung das ganze Tablett geleert. Lächelnd winkte Elias mit der Hand, und schon erschien Rachel mit Nachschub.
    Wieder konnte Seshmosis die Augen nicht von ihr wenden, doch die Stimme Elias’ verlangte leider wieder seine ganze Aufmerksamkeit.
    »Ihr wolltet noch wissen, warum Rückkehrer aus Ägypten hier nicht gern gesehen sind. Dafür gibt es mehrere Gründe. Die Aktionen von Pharao Kamose und seinem Nachfolger Ahmose haben nicht nur rechtschaffene Menschen aus Ägypten vertrieben, sondern leider auch viel zwielichtiges Gesindel. Einige kommen hierher und erheben Anspruch auf die Häuser und Felder ihrer Vorfahren. Spielen sich ganz ungeniert als die rechtmäßigen Besitzer auf und beschimpfen ehrbare Einwohner auf das Übelste. Andere sind noch schlimmer und streifen durch die Gegend und stehlen alles, was sie in die Finger bekommen. Sie sind eine echte Landplage, und keiner geht mehr unbewaffnet vor die Tore der Stadt, und keiner lässt seine Herden unbewacht.
    Das ist eine Bande von Gesetzlosen, die vor nichts und niemandem Respekt haben. Abend für Abend und Nacht für Nacht feiern sie drüben in Gilgal Gelage. Sie brüllen und schreien und blasen ihre Shofarhörner, dass einem schier das Trommelfell platzt. Man könnte meinen, die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher