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Die Nomadengott-Saga 01 - Der Nomadengott

Die Nomadengott-Saga 01 - Der Nomadengott

Titel: Die Nomadengott-Saga 01 - Der Nomadengott
Autoren: Gerd Scherm
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will ich dich begleiten!«
    »Ich soll deinen Schrein mitnehmen?«
    »Ja, anders kann ich nicht reisen. Deine Leute sind hier sicher. Im Gegensatz zu dir, wenn du unterwegs bist. Ich möchte dich nicht verlieren.« Nach einer kurzen Pause setzte er hinzu: »Ich habe nur einen Propheten.«

     
    Skeptisch beäugte Seshmosis den Maulesel, der ihn nach Jericho tragen sollte. Er verließ sich lieber auf seine eigenen Füße, aber angeblich sollte die Reise auf dem Rücken eines solchen Tieres weniger mühsam sein. Seshmosis bezweifelte das.
    So trotteten die sechs Tajarim auf ihren Mauleseln der Sonne entgegen Richtung Lachisch, ihrem ersten Etappenziel. Lachisch war eine für hiesige Verhältnisse stark befestigte Stadt, aber das entsprach auch ihrer Wichtigkeit. Immerhin lag sie genau auf dem Kreuzungspunkt der Nordsüd- und der Ostwesthandelsstraße. Bei der Quartiersuche fiel Seshmosis die starke ägyptische Präsenz auf. Der Pharao schien größten Wert auf diese Stadt zu legen. Als sich der Schreiber in der Herberge auf die Pritsche legte und verzweifelt versuchte, eine Position zu finden, die sein geschundenes Gesäß entlastete, war ihm klar, dass sie Jericho niemals in den geplanten vier Tagen erreichen konnten. Ihre Tiere waren viel zu langsam und vor allem viel zu stur. Ächzend fügte sich Seshmosis in die Gegebenheiten und versuchte zu vergessen, dass er ein Hinterteil besaß.
     
    Während sie durch die karge Steppe Richtung Totes Meer ritten, versuchte Seshmosis nachzudenken. Aber er konnte keinen klaren Gedanken fassen. Irgendwie war es seinem Hintern gelungen, die Kontrolle über sein Gehirn zu übernehmen. Und der Hintern sandte den ganzen Tag nur eine einzige Botschaft: Schmerz!
    Seshmosis konnte nicht verstehen, dass seine Gefährten nicht ebenso litten wie er. Sie machten im Sattel Scherze, lachten, und manchmal sangen Elihofni und Hiram sogar irgendein ihm unbekanntes Steinmetzlied.
    Mit großer Erleichterung registrierte Seshmosis einen satten grünen Streifen am Horizont, auf dem sich die Silhouetten einiger Häuser abzeichneten. Das musste Bethlehem sein, des Wanderers Labsal am Wüstenrand.
    Es dämmerte schon, als sie den Ort endlich erreichten. Viele Händler rasteten hier, aber es waren keine ägyptischen Soldaten zu sehen.
    Die Herbergssuche in Bethlehem erwies sich als äußerst mühsam, denn der Ort war von Händlern und Reisenden total überlaufen. Nach vielen vergeblichen Versuchen fanden die sechs Tajarim mit ihren Tieren schließlich Unterkunft in einer der vielen Höhlen am Ortsrand, die geschäftstüchtige Einwohner gegen ein saftiges Entgelt vermieteten. Die Leute hier wussten wirklich die Not quartiersuchender Fremder auszunutzen.
    Die Tajarim saßen um ein Lagerfeuer vor ihrer Höhle. Zwei Reisende gesellten sich hinzu; es waren Brüder aus einem kleinen Dorf am See Gennesaret, die unterwegs nach Gaza waren, um dort für ihren ältesten Bruder um die Hand einer Frau anzuhalten. Die beiden waren Fischer und das erste Mal in ihrem Leben auf einer Reise. Seshmosis beneidete sie um ihre schlichte Vorstellung von der Welt.
    Während ihrer Erzählungen begann er zu dösen, nahm ihre Stimmen nur noch als Singsang wahr, der ihn mehr und mehr einschläferte. Es waren die typischen Erzählungen von Leuten, die bisher noch nie ihr Dorf verlassen hatten und nach einigen Reisetagen meinten, sie hätten nun schon die große Welt gesehen.
    Bis er wie elektrisiert aufschreckte.
    »Was habt ihr eben gesagt?«, fragte er aufgeregt.
    »Meidet Gilgal«, antwortete der eine Fischer.
    »Was ist damit?«
    »Es ist ein übles Nest, bewohnt von noch übleren Leuten. Wir sind ihnen nur mit knapper Not entkommen. Sie versuchten, uns des Nachts auszurauben.«
    »Wo ist dieses Gilgal?« Seshmosis wollte es nun genau wissen.
    »Ganz nah an Jericho, man hat von dort einen guten Blick auf die Stadt. Aber ihr solltet lieber einen Bogen um dieses Dorf machen.«
    Seshmosis nickte. »Danke, das werden wir tun.«

     
    Das also war Jericho, die Palmenstadt, die Stadt seiner Ahnen. Als sie die Stadtmauer erreichten, stieg Seshmosis steif von seinem Maulesel und klopfte sich den Staub aus den Kleidern.
    Stundenlang waren sie von den Höhen hinabgeritten, immer tiefer in das fruchtbare, wunderbar grüne Tal des Jordan. Seshmosis konnte sich nicht vorstellen, dass jemals eine Hungersnot die Menschen aus dieser ihrer Heimat vertrieben hatte. Die Luft war ganz anders als überall sonst, wo er bisher gewesen war. Er
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