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Die neuen Weltwunder - In 20 Bauten durch die Weltgeschichte

Die neuen Weltwunder - In 20 Bauten durch die Weltgeschichte

Titel: Die neuen Weltwunder - In 20 Bauten durch die Weltgeschichte
Autoren: Bernd Ingmar Gutberlet
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hierarchische Gesellschaft entwickelt zu haben oder dem Eigentum eine wesentliche Bedeutung zuzumessen. Insgesamt war es eine geschätzte Dreiviertelmillion Aborigines, die nach der Ankunft der Europäer ein ähnliches Schicksal erwartete wie die angestammte Bevölkerung anderer Erdteile: Die europäische Landnahme brachte Krankheiten mit, die die Urbevölkerung dezimierten, machte sie zu einer entrechteten Minderheit, die sich an den Rand gedrängt sah und erst sehr spät, im 20 . Jahrhundert, so etwas wie Genugtuung und Anerkennung erfuhr.

    Nicht weit von der Stelle, an der im April 1770 eine englische Forschungsexpedition der Royal Society unter James Cook das australische Festland erreichte und in Besitz nahm – Cooks Männer wurden beim versuchten Landgang allerdings von den Speeren der Aborigines empfangen –, wurde 1788 eine britische Strafkolonie gegründet: Sydney. Benannt nach dem damaligen britischen Innenminister Lord Sydney, ist der Ort heute diegrößte, wichtigste und bekannteste Stadt Australiens. Zwischen Sydney und dem einige Jahrzehnte jüngeren, etwas weiter südlich gelegenen Melbourne, der zweitgrößten Stadt Australiens, entspann sich eine grundsätzliche, gewissermaßen angeborene Rivalität. Das liegt unter anderem daran, dass beide Metropolen lange Zeit die einzigen Großstädte des Kontinents waren, Hafenstädte sind und jeweils Hauptstädte der Bundesstaaten New South Wales beziehungsweise Victoria. Nach der Gründung des Föderalstaates Australischer Bund 1901 , in der sich die sechs unabhängig voneinander regierten britischen Kolonialstaaten zusammenschlossen, wurde die Konkurrenz zwischen Sydney und Melbourne auf das Schärfste ausgetragen, als es um die Hauptstadtfrage des neuen Staates ging: Eine Entscheidung für die eine oder andere wurde dadurch unmöglich, weshalb schließlich als mühsam ausgehandelte Kompromisslösung im Landesinneren das bedeutend kleinere Canberra als Hauptstadt gegründet wurde.
    Solch geschwisterliche Konkurrenz, ob aus erbitterter Feindschaft oder sportlich ausgetragener Rivalität, wirkt sich auf die Entwicklung der Städte stets prägend aus – und zwar in den meisten Fällen eher positiv. Sie ist nicht selten die treibende Kraft, mutig, visionär und zukunftsweisend zu bauen. Im Falle Sydneys dürfte die althergebrachte Konkurrenz mit Melbourne, das noch dazu den Zuschlag für die Olympischen Sommerspiele 1956 bekommen hatte, ein Grund für die Entscheidung zu ebendieser Zeit gewesen sein, den Bau eines Opernhauses in Angriff zu nehmen. Gleichzeitig waren die Fünfzigerjahre des 20 . Jahrhunderts für Australien insgesamt eine Zeit des Aufbruchs. Mehr Einwanderer denn je strömten seit Ende des Zweiten Weltkriegs aus Europa ins Land, die Wirtschaft boomte, die Städte wuchsen.

    Als 1947 der englische Dirigent Eugène Aynsley Goossens zumLeiter des Sydney Symphony Orchestra berufen wurde, regte er alsbald den Bau eines Opernhauses an. Das Thema wurde rege diskutiert, erste Entwürfe und Standorte erwogen und verworfen. 1954 nahm der Premierminister des australischen Bundesstaates New South Wales, Joseph Cahill, den Vorschlag auf und berief eine Konferenz ein. In seiner Eröffnungsansprache sagte er, ein solches Haus für Sydney dürfe keine elitäre Angelegenheit werden, sondern müsse ein Gebäude für das gesamte Land sein und auch noch in Jahrhunderten Weltrang besitzen. Bereits im folgenden Frühjahr wurde als Bauplatz Bennelong Point unweit des Botanischen Gartens ausgewählt – eine Landzunge im Hafen von Sydney, auf der im frühen 19 . Jahrhundert zunächst eine nie benötigte Festung errichtet wurde, die später als Straßenbahndepot genutzt wurde. Der Name geht zurück auf einen gefangen genommenen Aborigine, der auf der Landzunge wohnte und den Engländern als Dolmetscher und Kulturvermittler diente. Dieser Standort stellte dem Architekten die Aufgabe, die Stadt mit ihrem Hafenbereich gekonnt zu verbinden und Sydney dadurch insgesamt städtebaulich aufzuwerten.

    Ein weiteres Jahr später, während die Rivalin Melbourne sich stolz auf die ersten Olympischen Spiele auf australischem Boden vorbereitete, wurde in Sydney ein internationaler Wettbewerb ausgeschrieben, an dem sich 222 Architekten aus 28 Ländern mit ihren Entwürfen beteiligten. Das ist angesichts der zu dieser Zeit noch verbreiteten Wahrnehmung Australiens als randständig durchaus bemerkenswert. Dirigent Goossens allerdings, der den Stein ins Rollen gebracht hatte, hatte im
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