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Die neuen Weltwunder - In 20 Bauten durch die Weltgeschichte

Die neuen Weltwunder - In 20 Bauten durch die Weltgeschichte

Titel: Die neuen Weltwunder - In 20 Bauten durch die Weltgeschichte
Autoren: Bernd Ingmar Gutberlet
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noch ungemein prüden Australien der Fünfzigerjahre wegen eines Sexskandals inzwischen seine Reputation eingebüßt und in der Folge das Land verlassen.
    Ein noch viel größeres Drama aber sollte sich in den nächsten Jahren entspinnen. Das Sydney Opera House entstand unter den Bedingungen demokratischen Bauens, das heißt, seine Errichtung fand unter größtmöglicher Anteilnahme der australischen, ja der internationalen Öffentlichkeit statt. Bauen im öffentlichen Raum ist spätestens seit der zweiten Hälfte des 20 . Jahrhunderts in den meisten Ländern der Welt keine Angelegenheit abgehobener Entscheidungsträger mehr. Politiker werden nicht nur durch regelmäßige Wahlen dazu angehalten, ihre Entscheidungen zu begründen, sondern auch durch das öffentliche Bewusstsein, dass es Steuergelder sind, die da verbaut werden. Demokratische Prozesse verlangen häufige Rechtfertigung – eine Forderung, auf die ein absoluter Bauherr früherer Jahrhunderte wohl nur ein abschätziges Schnauben hätte hören lassen, um sich gleich anschließend souverän darüber hinwegzusetzen. Nun aber nahmen die Medien als demokratische Instanz ihre Kontrollfunktion wahr – sie profitierten für ihr Geschäft der Quote vom enormen öffentlichen Interesse und potenzierten es gleichzeitig. Die lange Planungs- und Bauzeit von fast zwei Jahrzehnten sollte schließlich Ungeduld, Kritik und Überdruss vermehren – und dazu führen, dass die staat-lichen Entscheidungsträger wechselten.

    Zur allgemeinen Überraschung entschied sich die Preisjury Ende Januar 1957 für den überaus ehrgeizigen und überragenden Entwurf des bis dahin international eher unbekannten dänischen Architekten Jørn Utzon. Nach eigener Aussage war man sich bewusst, einen kontroversen Entwurf ausgewählt zu haben, war aber der Ansicht, damit könne das geplante Opernhaus eines der besten Gebäude der Welt werden.
    Utzons Entwurf sah einen großen Bau mit mehreren Veranstaltungssälen für insgesamt mehrere Tausend Besucher vor, bestehend aus zwei Teilen, die verschiedener nicht sein könnten: zunächst ein massiver Unterbau mit einer Plattform, die äußerlich über großzügige Freitreppen begehbar ist, unter sich Zufahrtswege und Parkmöglichkeiten verbirgt und im Inneren neben kleineren Funktionsräumen den Versorgungsbereich enthält. Die großen Veranstaltungssäle hingegen sind unmittelbar unter der unverwechselbaren Dachkonstruktion untergebracht: mehrere ineinandergeschobene Muscheln als Überbau, die weiß schimmernd wie Wolken über der massiven Plattform zu schweben scheinen. Die zwei größten Säle – Konzerthalle und Opernsaal – liegen nebeneinander, ihre Wandelgänge am äußersten Ende der Landzunge bieten in den Pausen einen spektakulären Ausblick auf die Hafenkulisse.

    Der Entwurf bestach im Wesentlichen durch seine eigenwillige Formensprache: Auf der riesigen, massiven Plattform ruht die mehrteilige Dachkonstruktion, und wie ineinandergesteckte Nusshälften ragen hintereinander zehn Schalen bis zu sechzig Meter hoch auf. Diese lebendige Dachlandschaft auf der monumentalen Plattform ist oft als fünfte Fassade des Opernhauses bezeichnet worden. Wodurch diese Gestaltung inspiriert wurde, war immer wieder Gegenstand von Erörterungen; auch der Architekt fand Gefallen daran, die Debatte über die Inspirationsquelle im Fluss zu halten. Meist werden in den Dachschalen die Segel der Schiffe ausgemacht, die sich im Hafen von Sydney tummeln, und in der Tat war der Architekt der Sohn eines Bootsbauers. Utzon verwies aber einmal auf Nachfrage, vielleicht nur schalkhaft, auf den Anblick einer gemächlich vor seinem dänischen Haus dahingleitenden Schwanenfamilie. Auch die Ansicht von ineinandergesteckten Schalenstücken einer gepellten Orange nannte er als Eingebung. Weitere Assoziationen sind schneebedeckte Gipfel oder die aufbrechende Knospe einer wunderschönen Blüte. Wie auch immer: Der Entwurf überzeugte als zugleich poetisch, spektakulär und visionär, und das Gebäude als Skulptur in seinem exponierten Standort zwischen Hafen und Stadt versprach vielfältige Ansichten.
    Belegt und erkennbar sind architektonische Einflüsse, die Utzon auf einer Reise durch Yucatán gewonnen hatte. Dort war er tief beeindruckt von den Tempelbauten der Maya, die mit ihren begehbaren Plattformen erhabene, dem Himmel nahe Orte schufen, auf denen dann die eigentlichen Tempel errichtet wurden. Freilich ist der treppenseitige Zugang zur Oper von Sydney jedem
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