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Die neue Rasse

Die neue Rasse

Titel: Die neue Rasse
Autoren: Vampira VA
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Biß, wenn er tötet, das Opfer zum Vampir macht?«
    Henna lachte freudlos. »Wenn es so wäre, würde diese Welt längst von unserer Art überschwemmt sein.«
    »Aber wie ...?«
    Henna wandte sich um, ging zurück zu Selina und ließ sich neben ihr auf der harten Liege nieder.
    »Wie unser Volk sich vermehrt, willst du wissen?«
    Selina nickte.
    »Nun ...«, setzte Henna an. Und erzählte von Dingen, die kein Mensch wissen durfte. Zumindest kein Mensch, der noch Gelegenheit haben würde, sie weiterzuerzählen .
    Die Vampirin sprach vom Lilienkelch, mit dem der Hüter einst von Sippe zu Sippe gereist war. Das Blut des jeweiligen Oberhauptes war in den Kelch geflossen, und geraubte Menschenkinder hat-ten es trinken müssen. Sie waren daran gestorben, um schließlich aufzuerstehen - als Vampire.
    »Doch der Kelch ging verloren. Vor zweihundertneunundsechzig Jahren. Und seither pflanzt sich die Alte Rasse nicht mehr fort. Wir sind ein sterbendes Volk. Um den Untergang abzuwenden, hat He-rak, unser neuer Sippenführer, den Plan gefaßt, eine neue Rasse zu erschaffen. Und der erste dieser neuen Rasse ...«
    »... wartet dort auf seine Erweckung«, vollendete Selina mit einer vagen Bewegung in Richtung der Tür, wo ein paar Flure und Treppen entfernt jenes künstliche Geschöpf im Nährbrei schlummerte.
    »So ist es«, schloß Henna.
    »Eine gemeinsame Zukunft bleibt also ein Traum?« Selinas Blick wurde von Feuchtigkeit umnebelt. »Dein letzter Kuß würde mich nur zu etwas machen, in dem weniger Leben, weniger Selbst wäre, als ihr es in Brescia gelassen habt?«
    Henna nickte.
    »Das möchte ich nicht«, flüsterte Selina kaum hörbar.
    »Das werde ich dir auch nicht antun«, sagte Henna.
    »Dann wirst du mich ...?«
    »Nicht ich.«
    »Es?«
    Wieder nickte die Vampirin. »So habe ich es vorgesehen.«
    Selinas Blick ging an ihr vorüber, schien Wände zu durchdringen und ein Ziel zu finden. Etwas, das noch schlief, aber bald schon erwachen würde. Um endlich zu stillen, was jetzt schon in ihm brennen mußte .
    »Vielleicht ist dies der Preis, den ich für mein bisheriges Tun entrichten muß.« Ihre Stimme schien Henna seltsam verändert. Als wäre es nicht Selinas, sondern - - Doreens?
    *
    »Dein Blut wird es erwecken. Wird ihm die Augen öffnen für seine Bestimmung.«
    Selina hielt die goldene Schale und fing damit das schwarze Rinnsal auf, das zäh aus Hennas Handgelenk floß. Mit der anderen Hand zog die Vampirin die Wundränder auseinander, die, der natürlichen Regenierungskraft gehorchend, wie von selbst aufeinander zudrängten, um sich zu schließen.
    »Es genügt«, sagte die Wissenschaftlerin. Henna ließ ihr Gelenk los, und wie sich schließende Lippen glitten die Ränder der Schnittwunde aufeinander zu und verschmolzen miteinander wie weiches Wachs.
    Während Selina die bis zum Rand mit Schwärze gefüllte Schale in einer von der Decke hängenden Vorrichtung befestigte, ließ die Vampirin ihren Blick über den nackten Körper wandern, den sie zuvor gemeinsam von Drähten und Kabeln befreit und aus dem Tank gehoben hatten, um ihn auf diese Liege zu betten.
    Selbst Henna, die Schönheit im herkömmlichen Sinne nie etwas hatte abgewinnen können, konnte sich dem Reiz, der wunderbaren Ästhetik dieses Geschöpfes nicht vollends entziehen.
    Seine Haut war makellos und von aristokratischer Blässe, stellenweise noch mit Resten des Nährbreis bedeckt, in dem er geruht hatte. Die winzigen Einstiche der Sonden, über die seine Körperfunktionen gemessen worden waren, hatten sich geschlossen. Seine Statur erinnerte Henna in nichts an jene Jünglinge, mit denen sie sich manchmal die Zeit vertrieb. Dieses Wesen wirkte auf seltsame Weise weder kräftig noch schwach, und doch strahlte es eine Stärke aus, die Henna fast spürbar vorkam. Sein Gesicht schien dem Werk eines Bildhauers nachempfunden, der kein eigentliches Modell, sondern nur den Inbegriff klassischer Anmut vor Augen gehabt hatte. Und das lange, noch feuchte Haar schien Henna von der Farbe des Blutes ihrer Rasse, schwärzer noch als schwarz .
    Sein einziger Makel war die Geschlechtslosigkeit, dachte Henna bedauernd. Die Stelle, an der sich bei Menschen die Genitalen befanden, war bei ihm puppenhaft glatt.
    Eine Bewegung lenkte die Vampirin ab. Selina hatte die Schale über dem Kopf des liegenden Geschöpfs aufgehängt und breitete nun die Arme aus, legte den Kopf in den Nacken, schloß die Augen - und stieß Tore auf, die reiner Wissenschaft ewig verschlossen
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