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Die netten Nachbarn

Die netten Nachbarn

Titel: Die netten Nachbarn
Autoren: Ephraim Kishon
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mit lautem Knall. Großmutti telefoniert nach dem Doktor. Amir erscheint mit geschwollenen Augen im blauen Gesicht unter den roten Haaren und heult.
    »Papi hat Amir Kaugummi versprochen! Kaugummi mit Stleifen!«
    Jetzt reicht’s mir. Ich weiß nicht, was da so plötzlich in mich gefahren ist – aber im nächsten Augenblick schleudere ich den Kasten mit den Wasserfarben an die Wand, und aus meiner Kehle dringt ein wildes Aufbrüllen.
    »Ich habe keinen Kaugummi! Und ich werde auch keinen haben! Zum Teufel mit den verdammten Streifen! Noch ein Wort, du niederträchtiger Balg, und ich breche dir alle Knochen im Leib! Hinaus! Marsch hinaus, bevor ich meine Ruhe verliere!«
    Großmutti und ihre Tochter sind in Ohnmacht gefallen. Auch ich fühle mich einem Zusammenbruch nahe. Was ist mir geschehen? Was ist mir eingefallen? Noch nie im Leben habe ich die Stimme gegen mein Kind erhoben. Und gerade jetzt, gerade da wir von einer Reise zurückgekommen sind und ihm die schwerste Enttäuschung seines kleinen Lebens verursacht haben, gerade jetzt werfe ich meine Erziehungsgrundsätze über den Haufen? Wird der arme kleine Amir diesen Schock jemals überwinden? Es scheint so.
    Amir hat nach dem Kaugummi gegriffen, den ich in der fühllosen Hand behalten habe, steckt ihn in den Mund und kaut genießerisch.
    »Mh. Schmeckt fein. Guter Kaugummi. Stleifen pfui.«
    Überall ist es schön, aber zu Hause ist es am schönsten. Und in Acapulco.

Ein Sieg der internationalen Solidarität
    Um Mitternacht weckte mich eine Art von Magenschmerzen, die in der Geschichte des menschlichen Magenschmerzes etwas vollkommen Neues waren. Mit letzter Kraft kroch ich zum Telefon und rief Dr. Wasservogel an, der über uns wohnt. Nachdem ich seiner Gattin genau geschildert hatte, auf welche Weise die Schmerzen mich in Stücke zu reißen drohten, sagte sie mir, dass ihr Gatte nicht zu Hause wäre. Ich sollte eine halbe Stunde warten, und falls die Schmerzen dann noch nicht aufgehört hätten, sollte ich Dr. Blaumilch anrufen. Ich befolgte ihren Rat, wartete ein halbes Jahrhundert und ließ vor meinem geistigen Auge die wichtigsten Phasen meiner Vergangenheit vorüberziehen: die traurige Kindheit, die schöpferischen Jahre in den Zwangsarbeitslagern und meinen journalistischen Abstieg. Dann rief ich bei Dr. Blaumilch an, von dessen Gattin ich erfuhr, dass er an ungeraden Tagen nicht ordiniere und dass ich Dr. Grünbutter anrufen sollte. Ich rief Dr. Grünbutter an. Frau Dr. Grünbutter hob den Hörer ab und legte ihn am Fußende des Ehebettes zur Ruhe.
    Als ich von der dritten Klettertour über die Wände meiner Wohnung herunterkam, machte ich mein Testament, bestimmte eine Stiftung von 250 Pfund für die Errichtung eines Auditoriums auf meinen Namen, nahm Abschied von der Welt und schloss die Augen. Plötzlich fiel mir ein, dass Jankel, der Sohn unserer Nachbarfamilie, ein begeisterter Amateurfunker war.
    Um es kurz zu machen: Jankel funkte eine Kurzwellennachricht an den Flughafen Lydda. Ein Düsenflugzeug der El-Al startete mit der SOS-Meldung nach Zypern, wo der Pilot von einem Boten des israelischen Konsulats erwartet wurde, der sich umgehend per Motorrad nach Luxemburg auf den Weg machte und von dort eine Fünfhundert-Worte-Botschaft an Winston Churchill drahtete. Der frühere britische Regierungschef stellte dem Londoner Korrespondenten von Radio Israel seinen eigenen Hubschrauber zur Verfügung, worauf der Korrespondent sofort nach Kopenhagen flog und einen dramatischen Rundfunkappell an die Weltöffentlichkeit richtete. Die Dachorganisation der kanadischen Judenschaft reagierte unverzüglich durch Verschiffung eines Ambulanzwagens nach Holland.
    Unter persönlicher Leitung des Polizeichefs von Rotterdam wurde der Wagen im Eiltempo quer durch Europa dirigiert, sammelte unterwegs sieben und dreißig berühmte Internisten und Chirurgen ein und kam mit einem Bomber der amerikanischen Luftwaffe in Israel an.
    Auf dem Weg nach Tel Aviv wurde die Abordnung durch die Teilnehmer des in Nathania tagenden Ärztekongresses verstärkt, sodass im Morgengrauen eine Gesamtsumme von hundertacht hochklassigen Medizinern vor meinem Haus abgeladen wurde. Das Geräusch der Busse und der übrige Lärm weckte Dr. Wasservogel, der aufgeregt die Stiegen herunterlief und fragte, was los wäre.
    Ich nutzte die Gelegenheit, ihn zu fragen, was ich gegen meine Magenschmerzen machen sollte. Er empfahl mir, mich ins Bett zu legen und Diät zu halten.
    So wurde mein Leben durch
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