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Die netten Nachbarn

Die netten Nachbarn

Titel: Die netten Nachbarn
Autoren: Ephraim Kishon
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ließen ihn nur des Nachts ins Freie.
    Das geschah offenbar aus Furcht vor Aggressionen, was nicht ganz aus der Luft gegriffen war. Das Bellen des Aristobulos konnte nämlich durchaus einen Nachbarn um den Verstand bringen, vor allem wenn es sich bei diesem Nachbarn um einen Musiklehrer mit absolutem Gehör handelte.
    Aristobulos stimmte sein keifendes, infernalisch durchdringendes Gebell zu den widerwärtigsten Stunden an, um 5.15 Uhr am Morgen, zwischen 14 und 16 Uhr, also zu einer Zeit, da Herr Meyer sein Nachmittagsschläfchen hielt, dann wieder gegen Mitternacht und um 3.30 Uhr. Natürlich bellte er auch zwischendurch, aber die genannten waren seine Hauptbellzeiten. Bei Nacht verlegte er sie in den Garten.
    Nach ungefähr einer Woche, während des üblichen Nachmittagskonzerts, trat Frau Meyer vors Haus und rief in Richtung Obernik: »Sorgen Sie dafür, dass Ihr Hund zu bellen aufhört, sonst kann ich für nichts garantieren. Mein Mann ist fähig, ihn zu erschießen.»
    Da man wusste, dass Samuel Meyer eine Jagdflinte besaß, nahm sich Frau Obernik die Warnung zu Herzen und sprach von nun an, sowie Aristobulos zu bellen begann, mit besänftigender Stimme auf ihn ein: »Ruhig, Aristobulos. Du störst Herrn Meyer. Schäm dich. Hör auf zu bellen. Kusch.«
    Aristobulos kuschte in keiner Weise. Im Gegenteil, er steigerte sein Gekläff, als wollte er für die Freiheit des Bellens demonstrieren.
    Meyer bat seinen Anwalt um Rat. Zu seiner Verbitterung erfuhr er, dass das Halten von Hunden zu den unveräußerlichen Bürgerrechten gehört und dass einem Hund von Gesetzes wegen nicht vorgeschrieben werden kann, wie und wann er zu bellen hat.
    So griff Samuel Meyer eines Nachts zum Jagdgewehr und setzte sich in seinen Garten, wo er hinter einem Strauch auf das Erscheinen von Aristobulos wartete. Aristobulos erschien nicht. Er bellte zwar genau zu den gewohnten Stunden (0.00, 3.30, 5.15), aber er bellte im Haus.
    Von Zeit zu Zeit glaubte Meyer, ihn an der Tür kratzen und jämmerlich winseln zu hören, ohne dass sich die Tür öffnete. Entweder ahnte Obernik etwas von der lauernden Gefahr, oder er tat’s aus purer Grausamkeit.
    Als sich an diesem rätselhaften Ablauf auch in den folgenden zwei Nächten nichts änderte, entschloss sich Meyer, der das Geheimnis ergründen wollte, zu einem riskanten Schritt. Er schlich in der Dunkelheit zum Obernikschen Schlafzimmer, spähte vorsichtig durchs halb geöffnete Fenster und traute seinen Augen und übrigens auch seinen Ohren nicht: Josua Obernik lag mit gelangweiltem Gesichtsausdruck im Bett und bellte. Neben ihm lag Frau Obernik und sagte von Zeit zu Zeit ohne besondere Anteilnahme: »Ruhig, Aristobulos. Du musst Herrn Meyer schlafen lassen. Kusch.«
    Samuel Meyer wollte schon schießen, riss sich jedoch zusammen und ging auf die nächste Polizeiwache, wo er dem dienstschlafenden Beamten die ganze Geschichte erzählte.
    Der Beamte antwortete: »Na und?«
    »Was heißt hier na und?«, brüllte Meyer. »Der Kerl ruiniert mich. Ich kann seit Wochen nicht schlafen. Außerdem schädigt er mein Gehör, das ich für meinen Beruf brauche.«
    »Bedaure«, bedauerte das Amtsorgan. »Gegen Lautsprecher nach Mitternacht kann ich einschreiten, gegen jemanden, der bellt, nicht. Außerdem fällt diese Angelegenheit in die Kompetenz der Stadtverwaltung.«
    Am nächsten Morgen, nachdem Aristobulos ihn pünktlich um 5.15 Uhr geweckt hatte, ging Samuel Meyer wieder zu seinem Rechtsanwalt und informierte ihn, dass Josua Obernik sich sozusagen als Selbsthund zu Hause hielt. Der Anwalt blätterte in seinen Gesetzbüchern und schüttelte den Kopf.
    »Im britischen Mandatsgesetz kann ich nichts finden, was die Nachahmung von Tierstimmen verbietet. Auch die Ottomanischen Gesetze, die ja auf zahlreichen Gebieten unseres öffentlichen Lebens noch in Kraft sind, enthalten nichts Brauchbares. Hingegen schreiben sie Entlohnung für Personen vor, die zur Bewachung angestellt sind, also die Funktionen eines Wachhundes ausüben. Wir werden daher gegen Herrn Obernik Anzeige erstatten, weil er keine amtliche Bewilligung zum Halten eines Wachhundes beziehungsweise einer Wachtperson besitzt.«
    Die Anzeige wurde erstattet. Sicherheitshalber fügte der erfahrene Jurist noch hinzu, dass Herr Obernik keine Hundesteuer für sich bezahlte, und verlangte seine sofortige Verhaftung wegen Steuerhinterziehung.
    Die Reaktion der Behörde war niederschmetternd. Herr Obernik hatte nicht nur die vorgeschriebene Bewilligung
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