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Die Naschmarkt-Morde

Titel: Die Naschmarkt-Morde
Autoren: Gmeiner-Verlag
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sein Wort gegeben, den Artikel so zu verfassen, dass seine eigene Anwesenheit mit keinem Wort erwähnt werden würde. Alles andere hätte Nechyba ärgste Probleme bereitet. Die Hausmeisterin und der Schlosser hielten Goldblatt übrigens für einen Polizeiagenten! Ein Polizeiagent, der sich kurz vor dem Eintreffen seiner Kollegen aus dem Staub gemacht hatte …
     
    Die weiteren Fakten für die Fortführung des Artikels hatte Goldblatt von Nechyba erzählt bekommen, als sie sich nach Beendigung der Amtshandlung im Beisl Zu den 3 Hacken in der Singerstraße trafen. Dort nahmen Goldblatt und Nechyba als Gabelfrühstück ein Gulasch und ein Bier zu sich. Das dicke Buch, das offen auf dem Tisch des Salons gelegen hatte, trug den Titel ›Geschlecht und Charakter‹ und war von einem gewissen Dr. Otto Weininger verfasst worden. Weiters zeigte ihm Nechyba einige Karten und Briefe, die Weininger an Schönthal-Schrattenbach geschrieben hatte. Neben Urlaubsgrüßen enthielten sie eine Reihe von frauen- und judenfeindlichen Bemerkungen, die Nechyba als degoutant bezeichnete. Aufgrund der nahezu identischen Art der Ermordung der Gräfin, der beiden Dienstmädchen sowie der Baronin – Letztere trug das Mordwerkzeug noch um den Hals – war evident, dass Schönthal-Schrattenbach der gesuchte Mörder vom Naschmarkt war.
     
    Zu diesem Schluss waren Nechyba, Goldblatt und Lang übrigens auch im Laufe ihrer nächtlichen Sitzung im Café Sperl gekommen. Schönthal-Schrattenbach war der einzige Mensch im Bekanntenkreis der beiden ersten Mordopfer, der sowohl die Gräfin als auch das Dienstmädchen Mizzi persönlich kannte. Das war wahrscheinlich auch Schönthal-Schrattenbachs Motiv, Mizzi zu ermorden. Er wollte die einzige Zeugin, die von der Affäre zwischen Gotthelf und seiner Cousine wusste, aus dem Weg räumen. Gleichzeitig lenkte er mit dem Mord vor Gotthelfs Haustür den Verdacht auf den Planetenverkäufer. Alles in allem ergab das ein schlüssiges Bild. Hinzu kam Schönthal-Schrattenbachs Frauenhass, der offensichtlich von Otto Weininger kräftig angestachelt worden war. Dieser Teil der Wahrheit führte jedoch zu weit, und deshalb konzentrierte sich Goldblatt auf die Person des Tatverdächtigen:
     
    Dringend gesucht wird aufgrund des vierfachen Mordverdachtes Baron Aloysius von Schönthal-Schrattenbach. Die grausame Art des Strangulierens sowie das Tatwerkzeug – ein Seidenschal – legen die Vermutung nahe, daß der Baron von Schönthal-Schrattenbach auch der seit Langem gesuchte Naschmarktmörder ist. Das erste Opfer dieser unheimlichen Serie war übrigens seine eigene Cousine, die Gräfin Hainisch-Hinterberg. Auch das zweite Opfer stand wahrscheinlich in einer Beziehung zu dem Gesuchten.
    Der Baron hatte am Morgen nach der Mordnacht die mit seiner Mutter gemeinsam bewohnte Wohnung mit unbekanntem Ziel verlassen. Die Polizei konnte weder dessen persönliches Reisegepäck noch dessen Kleidung in der Wohnung auffinden. Unter den wenigen persönlichen Sachen, die er zurückgelassen hatte, fand die Polizei Schriftstücke und Publikationen, die zur Vermutung Anlaß geben, daß der Baron einen tief sitzenden Haß gegenüber Frauen empfindet. Letzterer scheint das Motiv für seine schier unbegreiflichen Taten gewesen zu sein.
     
    Auch hier hielt Goldblatt inne. Schönthal-Schrattenbachs Frauenfeindlichkeit war sicher nicht das einzige Motiv. Wie er mittlerweile aus verschiedenen Quellen erfahren hatte, war Schönthal-Schrattenbach ein manischer Spieler. Er schuldete Adalbert Graf Sternberg sowie einigen anderen Leuten einen schönen Batzen Geld. Weiters hatte Goldblatt herausbekommen, dass die einzige wirklich vermögende Person in der Schönthal-Schrattenbach’schen Familie die Gräfin Hainisch-Hinterberg war. Nach deren Tod trat nun Schönthal-Schrattenbachs Mutter als deren nächste Verwandte die Erbschaft an. Das klang für den mit allen Wassern gewaschenen Gerichtssaalreporter Leo Goldblatt schon eher nach einem Mordmotiv. Auch wenn diese Vermutung der Wahrheit oder einem der vielen Gesichter der Wahrheit entsprach, beweisen konnte er sie nicht. Wahr oder nicht wahr, wer weiß? Schönthal-Schrattenbachs Frauenfeindlichkeit gab den Morden vom Naschmarkt eine gruselig psychopathische Note – was man von aus Habgier begangenen Morden nicht gerade behaupten konnte. Also schrieb Goldblatt:
     
    Gewarnt seien alle allein reisenden Frauenspersonen. Der flüchtige Baron von Schönthal-Schrattenbach ist circa 1,78 Meter groß,
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