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Die narzisstische Gesellschaft

Die narzisstische Gesellschaft

Titel: Die narzisstische Gesellschaft
Autoren: Hans-Joachim Maaz
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gewandt, auf äußere Anerkennung erpicht: So bekommen Mode, Kosmetik, das körperliche Aussehen und die Fitness sowie der soziale Status höchste Bedeutung. Man kann sich nicht mehr ohne Markenklamotten und ohne Schminke zeigen, leidet unverhältnismäßig an altersgemäßen Leistungseinschränkungen oder beginnenden Gebrechen, am Verlust der äußeren Attraktivität, an der fast unvermeidbaren Gewichtszunahme im Prozess des Älterwerdens. Der Kampf um Idealnormen wird immer tragischer und nicht selten auch grotesker, bedenkt man etwa den um sich greifenden Botox-Wahn, um natürliche Falten zu verschleiern. Wird ein mimisch lahmgelegtes Gesicht als schöner empfunden als ein Gesicht, welches das ganze Leben abbildet, dann macht die narzisstische Krankheit den Menschen zum Clown seiner selbst.
    Andererseits werden Waren zu Statussymbolen, und selbst bei Kunst oder Reisen kommt es mehr auf den Statuswert als auf Genuss oder Erbauung an. Das Größenselbst ist Garant für ein suchtartiges Wachstum des falschen Lebens. So wird am Ende verbraucht, was keiner braucht, um auf keinen Fall zu erinnern und zu finden, was wirklich gebraucht würde. Der Markt ist der Tummelplatz des Größenselbst, die Zirkusarena für dessen Kunststücke – und der globale Markt ist der aus allen Fugen geratene Größenwahn.
    Ein Narzisst im Größenselbst ist ein Mensch, der (nicht selten bei kleiner Statur) als «groß», als wichtig und bedeutend gesehen werden will und auch von sich selbst glaubt, jemand Besonderes zu sein, der Aufmerksamkeit, Anerkennung, Vorrechte und besondere Zuwendung wie selbstverständlich verdient. Bei realen großen Anstrengungen und besonderen Leistungen ist dieser Geltungsanspruch noch halbwegs verständlich, doch wird es unangenehm und peinlich, wenn Menschen ohne besondere Kompetenzen Anerkennung erwarten und ständig Aufmerksamkeit erheischen. Die Tragik liegt darin, dass alle ihre Anstrengungen viel mehr seelische Energie beanspruchen, als nötig wäre. Es geht ihnen aber nicht nur darum, Erfolg zu haben, sondern das tief liegende Minderwertigkeitsgefühl zu verleugnen und so gut es geht zu beruhigen. So erklärt sich das unaufhörliche Lampenfieber selbst bei erfolgsverwöhnten, souverän erscheinenden Persönlichkeiten, die ohne Probleme ihre Leistung abliefern können, aber immer in der Unsicherheit verbleiben, ob sie dafür auch ausreichend «geliebt» werden. Ich habe viele Menschen mit dieser Not kennengelernt, denen man nie abnehmen würde, dass sie eigentlich ganz bedürftige und unsichere Menschen sind, weil sie doch so cool und souverän auftreten und eigentlich auf ihre Erfolge stolz sein können. Dabei wird übersehen, welche Verzweiflung ihren Ehrgeiz antreibt und wie viele Zweifel den entgegengenommenen Applaus begleiten. Die Großspurigkeit, das laute Verhalten, das demonstrative Gehabe, die lässige Selbstdarstellung und die nahezu unbegrenzte Erfolgssucht sind nur Maskierungen nagender Selbstzweifel.
    Doch nicht nur in der hysterisch abgewehrten Not gestaltet sich das Größenselbst sozial aus, es gibt auch introvertierte, außerordentlich bemühte und fleißige Leistungsträger, von denen man nie annehmen würde, dass ihre Erfolge und Ergebnisse ihnen keine ausreichende narzisstische Sättigung verschaffen. Erst wenn sie in der Folge von innerem Stress erkranken, dringt etwas von der unerfüllt bleibenden Sehnsucht nach liebevoller Bestätigung an die Oberfläche. Der äußere Erfolg füllt den Geldbeutel, nicht aber in gleicher Weise das Herz.

Typischer Monolog eines Größenselbst-Narzissten
    «Mit dem Wetter haben wir aber richtig Glück heute. Das war ein wichtiger Tag. Ich habe Herrn X von meiner Position überzeugen können. Ich war aber auch richtig gut drauf. Der hat vielleicht gestaunt, so etwas hat er wahrscheinlich schon lange nicht mehr erlebt. Da haben sich meine Mühen wirklich ausgezahlt. Wenn ich so weitermache, wird das noch was richtig Gutes, die Leute werden staunen. Dann bin ich der Einzige, der das wirklich gut kann, ich darf aber auch nicht lockerlassen. Da muss ich dranbleiben, ich werde mich da noch richtig reinknien. Ich komme da noch mal ganz groß raus. Komm, ich lade dich ein – wir gehen richtig gut essen. Putz dich mal ordentlich raus, dass man auf dich guckt. Und hinterher will ich Sex, das willst du doch sicher auch. Ich werde dann bestimmt gut schlafen und morgen leg ich richtig los.»
     
    Größenklein Der Begriff macht deutlich, dass die
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