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Die narzisstische Gesellschaft

Die narzisstische Gesellschaft

Titel: Die narzisstische Gesellschaft
Autoren: Hans-Joachim Maaz
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wesentliche Inhalte und Konsequenzen für meine Interpretation des Narzissmus:
    das tragische Schicksal eines Menschen aufgrund früher Beziehungsdefizite;
die hochmütige Abwehr von Liebesangeboten als Ausdruck der partnerschaftlichen Liebesunfähigkeit – Folge des frühen Liebesmangels;
die tragische Unerfüllbarkeit einer echohaften (konarzisstischen) Liebe;
die Notwendigkeit der illusionären Selbstspiegelung bei fehlender Liebe;
die unstillbare – süchtige – Verliebtheit in eine Illusion;
Empfindlichkeit und Kränkung schon bei minimaler Irritation des Spiegelbildes;
die Gefährlichkeit der Erkenntnis;
die tödliche Gefahr der Selbstbezogenheit.
    Ein junger Mann, der hochmütig alle Liebesangebote ablehnt, ist zur tragischen Selbstliebe verdammt. Wir erfahren nicht, warum er sich so abweisend verhält. Aber aus meiner Arbeit weiß ich, dass ungeliebte Menschen eine große Angst vor der Liebe entwickeln, um nicht an den erlebten Liebesmangel erinnert zu werden. Deshalb ist Selbsterkenntnis auch so gefährlich; wenn die Wahrheit nicht mehr zu verbergen ist, kann sie tödlich werden. Im Verlaufe meiner Darlegungen werde ich deutlich machen, wie stark Menschen gefährdet sind, wenn sie vorhandene narzisstische Defizite nicht länger kompensieren oder sich von ihrer bitteren seelischen Realität nicht mehr ablenken können. Die Gefährlichkeit der Erkenntnis trägt sehr viel zu einer sozialen Kultur der Verleugnung und Lüge bei; sie begünstigt eine Gesellschaft mit aktionistischer, ruheloser Geschäftigkeit und ablenkender Reizüberflutung, um Erkenntnis zu verhindern.
    Andererseits führt aber auch die Selbstbezogenheit zu einem einsamen, schmerzvollen, leicht irritierbaren und unglücklichen Leben, das zur Quelle vieler Beschwerden und Erkrankungen werden kann. Der frühe Liebesmangel ruft stets ein sehnsüchtiges Verlangen hervor, das durch eine Illusion gespeist wird. Diese kann verständlicherweise leicht verunsichert werden mit unverhältnismäßig schweren Folgen – gemessen an den oft nur geringen Verunsicherungen.

Gesunder Narzissmus
    Ein gesunder Narzissmus ist die Grundlage für erlebten Selbstwert und gelebtes Selbstvertrauen. Die empfundene Selbstliebe ist das Ergebnis durch Zuwendung, Einfühlung, Bestätigung und Befriedigung individueller Bedürfnisse erfahrener Liebe. Selbstliebe ist also in ihrem Ursprung von Fremdliebe abhängig. Das Kind braucht Eltern, die in der Lage und bereit sind, gemessen an den Bedürfnissen des Kindes, ausreichend Zeit für das Kind aufzubringen, sich in die Bedürfniswelt des Kindes einzufühlen und angemessen erfüllend und befriedigend auf die Äußerungen des Kindes zu antworten. Der feine, aber entscheidende Unterschied liegt darin, ob man wirklich willens und in der Lage ist, die Innenwelt des Kindes empathisch wahrzunehmen, oder eher geneigt ist, dem Kind die eigenen Vorstellungen und Erwartungen, wie es denn sein soll, zu vermitteln. Das Letztere geschieht am häufigsten und zumeist auch unreflektiert mit der Überzeugung, dass man als Eltern schon wisse, was für das Kind am besten und richtig sei, und im Glauben, dass man doch nur das Beste für das Kind wolle. Dazu bedarf es in einer aufgeklärt-liberalen Gesellschaft keiner autoritären Gewalt mehr, sondern nur der Macht manipulierender Suggestion, für die jedes kleine Kind in besonderem Maße anfällig ist. So wird das Kind über Blickkontakt, Mimik, Gestik, Tonfall und Stimmungen mehr beeinflusst als über alle klugen Worte und vernünftigen Argumente. Gute Eltern und erfolgreiche Erzieher brauchen weniger pädagogisches Wissen als Selbsterkenntnis und ein damit übereinstimmendes Handeln. Das Kind benötigt klare Ansagen, Führung und auch Begrenzung, um sich in der Welt allmählich zurechtzufinden und dabei sich und andere unterscheiden zu lernen. Dafür sollten die elterlichen Mitteilungen authentisch sein; Aussage und echtes Gefühl sollten übereinstimmen und nicht angelernt wirken oder mit der Absicht der Manipulation verknüpft sein.
    Alle meine psychotherapeutischen Erfahrungen weisen darauf hin, dass sich dem Kind die Einstellung und Haltung der Eltern – selbst wenn sie ihnen unbewusst sind – viel stärker übermitteln als ihre Worte, vor allem wenn diese nicht wirklich aus dem Herzen kommen. Die Praxis zeigt immer wieder, dass selbst redlich um ihre Kinder bemühte Eltern narzisstische Defizite bewirken, weil sie nicht wirklich in der Lage sind, ihre Kinder empathisch
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