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Die Nächte des Wolfs 02 - Zwischen Mond und Verderben

Die Nächte des Wolfs 02 - Zwischen Mond und Verderben

Titel: Die Nächte des Wolfs 02 - Zwischen Mond und Verderben
Autoren: Shannon Delany
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schleuderte mit den Hufen Erdbrocken in die Höhe, mit geblähten Nüstern und wildem Blick.
    Ich blieb locker und mit erhobenem Kopf stehen und musterte sie mit kaum verhohlener Belustigung. Rutschend kam sie zum Stehen, dass unter den Hufeisen der Dreck nur so wegspritzte.
    » Rio! « , tadelte ich.
    Sie schüttelte die Mähne und drückte mir die Schnauze an die Brust, sodass mir nichts anderes übrig blieb, als ihr über den schlanken Nasenrücken zu streicheln und ihre klaren Augen zu bewundern.
    Wenn es jemanden gab, dem ich trauen konnte, dann war es Rio. Pferde logen nicht.
    » Auf geht’s « , sagte ich und schob ihr das Zaumzeug über den Kopf. Ich stieg auf eine Zaunlatte, sie kam heran und blieb wie festgenagelt stehen, als ich » allez hopp « rief und aufstieg.
    Ohne Sattel spürte ich schon Bewegungen, die Rio nur erwog – jedes Muskelzucken, jeder Gedanke erreichte mich sofort. Dazu musste nichts ausgesprochen werden. Wenn sie ein Ohr zur Seite drehte, schnaubte oder mit dem Huf scharrte, wusste ich sofort, was sie dachte oder auf dem Herzen hatte.
    Wenn mein Leben besonders in Aufruhr war, war ich bei Rio niemals im Unklaren. Bei meinen Hunden Hunter und Maggie war ich dagegen selten im Klaren, aber dafür waren sie stets für mich da.
    Rio und ich drehten ein paar Runden auf der Koppel – nichts Besonderes, nichts Aufregendes, nur eine gemächliche Steigerung zu den raumgreifenden Schritten eines sauberen Galopps, schon schweiften meine Gedanken …
    » Ho! « Ich zog die Zügel straff. » Entschuldige, meine Schöne. « Für ein paar Minuten gingen wir im Schritt und ich versuchte, all die Gedanken aus meinem Kopf zu bekommen. Es klappte nicht. Selbst das rhythmische Schlagen der Hufe konnte Pietrs Verhalten nicht aus meinem Bewusstsein vertreiben.
    Seit seinem siebzehnten Geburtstag hatte sich Pietr merklich zurückgezogen. Wir hatten uns darauf geeinigt, dass er sich weiterhin mit Sarah treffen und sie dabei allmählich von sich entwöhnen solle, um sich dann mir zuzuwenden. Wenn Pietr nicht aus heiterem Himmel Schluss machte, was Sarah bestimmt verletzt wenn nicht komplett zum Ausrasten gebracht hätte, dann war das nicht nur klüger, sondern auch irgendwie humaner.
    Bei der humanen Methode kam ich mir aber noch mehr als Lügnerin vor. Pietr hatte mich dann und wann in einer dunklen Ecke mit einem Kuss überrascht, sich meine Hand geschnappt und meine Finger bewundert oder mir einfach lange, atemlose Momente in die Augen gesehen.
    Das war alles vor seiner ersten Verwandlung gewesen.
    Seither hatte es kaum ein Dutzend vertraulicher Augenblicke mit ihm gegeben. Und mit Sarah ging es offenbar auch nicht richtig vorwärts.
    Nach wie vor telefonierte er oft mit mir – und streute mit Vorliebe etwas Russisch in die Unterhaltung ein. Dass harascho » gut « bedeutete und poschalusta » bitte «, wusste ich bereits, ich konnte auch Kaffee bestellen oder, falls nötig, nach der Toilette fragen. Konnte ich aber Kyrillisch lesen? Kein Stück. Für mich war das noch immer nichts als ein malerisches Gekritzel.
    Eine Wendung allerdings blieb er mir schuldig, und an dieser lag mir am meisten – aber nicht, weil ich damit hausieren gehen wollte. Wie man » ich liebe dich « auf Russisch sagte, wollte er mir einfach nicht verraten. Klar, online hätte ich das schon rausbekommen, aber aus seinem Mund klangen die Worte einfach schöner. Vielleicht meinte er, wenn er sie nicht aussprechen konnte, dann sollte ich sie auch nicht kennen. Das war alles so kompliziert.
    Ich ließ Rio anhalten und glitt von ihrem Rücken. Ich führte sie zum Stall, löste behutsam das Zaumzeug und rieb sie mit einem Tuch ab. Die Tür zu ihrer Box stand offen, es sah nach einer kalten Nacht aus und ich ließ ihr die Wahl.
    » Gutes Mädchen « , beruhigte ich sie. » Glaub mir. Es liegt an mir, nicht an dir « , sagte ich halb ironisch und hatte doch Angst, diese Worte von Pietr zu hören, wenn ich den Abstand zwischen uns noch größer werden ließ.
    Ich wusch das restliche Geschirr ab und sortierte es zum Trocknen in den Ständer gerade als die letzten Sonnenstrahlen wie Glut an den jagenden Wolken leckten. Obwohl der Wind die kahlen Äste der Bäume vor dem Haus schüttelte, ließ ich das Fenster über dem Spülbecken einen Spalt weit offen, um Catherines Zeichen nicht zu verpassen.
    Ein Heulen fegte um die Farm und ich zuckte beim Abtrocknen der Hände heftig zusammen.
    Nur der Wind.
    Wieder ein Heulen. Ich ging zur Tür. Diesmal
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