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Die Nächte des Wolfs 02 - Zwischen Mond und Verderben

Die Nächte des Wolfs 02 - Zwischen Mond und Verderben

Titel: Die Nächte des Wolfs 02 - Zwischen Mond und Verderben
Autoren: Shannon Delany
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guten Woche, wurden die Zwillinge Pietr und Cat siebzehn. Dass sich die beiden mit Erreichen des siebzehnten Geburtstags verändert hatten, wäre eine maßlose Untertreibung.
    Keiner von uns lebte seitdem sein gewohntes Leben.
    » Oh, Jessie! « , rief Dad und klappte sein Handy zu. Er warf nur einen kurzen Blick auf meine von ungeweinten Tränen geröteten Augen, schlang die Arme um mich, hob mich vom Boden und drückte mir mit einem langen Seufzer die Luft aus den Lungen. » Die ersten paar Mal wird es am schwersten sein « , sagte er und setzte mich wieder ab.
    Er strich mir das Haar aus dem Gesicht. » Gehen wir. Du siehst müde aus. « Er legte mir die Hand auf den Rücken und schob mich den Korridor hinunter und aus dem Gebäude hinaus.
    Er öffnete die grüne Beifahrertür, die irgendwie zum blauen, mit Rostflecken übersäten Äußeren des Trucks dazugehörte, und setzte sich ans Steuer. Brüllend erwachte der Motor zum Leben und Dad drehte das losplärrende alte Radio leiser.
    » Müssen wir diesen Sender hören? «
    » Ist doch nichts dran auszusetzen « , erwiderte er.
    » Die spielen nur Zeug aus den Achtzigern. «
    » Ich sag’s noch mal … « , aber dann verkniff er es sich und zwinkerte mir stattdessen zu. » Livin’ on a prayer « , sagte er und nickte in Richtung Radio.
    Von einem Gebet leben – tat ich das nicht praktisch Tag für Tag?
    Mom und Dad waren voll auf die Rockbands der Achtziger mit den wilden Wuschelköpfen abgefahren. Jetzt wo Mom nicht mehr da war, klammerte er sich noch verbissener an all das, was sie geteilt hatten. Außer wenn Wanda sich an ihn ranschmiss.
    Würg.
    Ich unterdrückte diesen Gedanken nach Kräften, versank in den Sitzpolstern und starrte aus dem Fenster. Draußen zog Junctions Main Street vorbei. Von den beinahe nackten Bäumchen, an denen die letzten gelben und orangenen Blätter trotzig in der steifen Herbstbrise wedelten, bekam ich so gut wie nichts mit. Ein Kälteeinbruch hielt Junction fest im Griff. Vor einer Weile hatten wir uns noch über die viel zu frühe Halloween-Dekoration mokiert, aber nun, da das Laub und die Temperaturen fielen, passte es eigentlich ganz gut.
    Der Dreiuhrzug pfiff schrill und das Geratter der Waggons drang über die wenigen wirklich belebten Straßenzüge der Innenstadt gedämpft herüber.
    Dad bog bei McMillan’s auf den Parkplatz ein. » Ich geh nur schnell Milch und Brot holen « , erklärte er und stellte den Motor ab.
    » Bei Skipper’s ist es aber billiger « , wandte ich ein.
    Sein Blick brachte mich auf der Stelle zum Schweigen. Niemals würde er dort wieder hingehen. Skipper’s teilte sich den Parkplatz mit dem örtlichen Videoverleih. Und genau vor der Videothek hatte ich am Abend des 17. Juni gewartet, dass Mom mich abholt.
    Das war der Abend, an dem Sarah bei einer verbotenen Spritztour in Moms Wagen gekracht war und sie dabei getötet hatte. Dad vergab Sarah ihre Dummheit und akzeptierte ziemlich unwirsch die neue kleinlaute Sarah (erstaunlich, wie ein schweres Kopftrauma einen Charakter verbessern konnte), wobei er meinem Beispiel folgte.
    Der Unfallort selbst ließ ihn jedoch nicht los – dazu veränderte er sich zu wenig. Der Asphalt und die umliegenden Gebäude beschworen einfach zu viele Erinnerungen herauf. Ich wusste das. Auch für meine Albträume hatten sie oft den Hintergrund gebildet.
    Bis sie von den lebhaften Bildern der Nacht nach dem Geburtstag der Rusakova-Zwillinge abgelöst worden waren.
    Seit dem Unfall hatte meine Familie sich ein gutes Stück aufgerappelt. Oft hatte ich aber Zweifel, dass wir uns jemals weit genug aufrappeln würden.
    Auf der Heimfahrt versuchte ich, die dekorierten Schaufenster nicht zu beachten – die Skelette und Leuchtspinnen in ihren Polyesternetzen, die ganz Junction daran erinnerten, dass Halloween immer näher herankroch.
    Genau wie mein Geburtstag. Noch ein Fest ohne meine Mutter.
    Dad, der alte Charmeur, mochte mich für müde halten, aber meine Gedanken rasten unentwegt, sodass ich beim Versuch zu schlafen niemals Ruhe gefunden hätte. Zu Hause angekommen, schrieb ich sofort die Notizen der Unterrichtsstunden vom Freitag ins Reine. Na, fast ins Reine. Ich markierte die wichtigsten Punkte, packte die Hefte weg und ging zur Koppel hinaus.
    Auf einem Pferderücken konnte ich einfach besser denken.
    Rio, meine kastanienbraune Stute, wieherte einen Gruß und stürmte auf den Zaun zu, um zu prüfen, ob ich wohl still stehen blieb.
    Ob ich ihr vertraute.
    Sie flog heran,
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