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Die Nächte des Wolfs 02 - Zwischen Mond und Verderben

Die Nächte des Wolfs 02 - Zwischen Mond und Verderben

Titel: Die Nächte des Wolfs 02 - Zwischen Mond und Verderben
Autoren: Shannon Delany
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verlor es sich im Rascheln des trockenes Laubs, das über die Veranda tanzte. Seufzend nahm ich meine Jacke vom Haken.
    » Wohin gehst du? «
    Ich machte vor Schreck einen Satz. Hinter mir stand Annabelle Lee. Sie hatte so ruhig in ihrem neuesten Buch gelesen, dass ich sie am Tisch gar nicht mehr wahrgenommen hatte.
    » Einen Spaziergang machen. Ist ein schöner Abend. «
    Der Wind ließ das Haus erzittern und Annabelle Lee riss sich für einen kurzen Blick, der ebenso leicht zu lesen war wie der von Rio, von Atlas Shrugged los. Sie glaubte mir nicht. Nicht das kleinste bisschen. » Ist Pietr dort draußen? Wartet er auf dich? «
    » Was? Wer? « Mist! Wo war Dad überhaupt? Konnte er uns vielleicht auch hören?
    Sie setzte das Buch ab. » Dad ist wieder los zur Fabrik. Eine Maschine ist kaputt und verteilt Schokolade über die ganze Anlage. Zum Glück ist niemand verletzt. Kein Blut, aber eine Mordssauerei, hat er gesagt. «
    » Hmm. Blood and Chocolate. Tolles Buch. Aber keine passende Geschmacksrichtung für die Fabrik. « Achselzuckend schlüpfte ich in die Jacke.
    » Dad hat dich auf die Wange geküsst, bevor er ging. Das kannst du doch nicht vergessen haben. «
    Beim Berühren der Stelle kam mir das Schmirgeln seiner Nachmittagsstoppeln vage in Erinnerung.
    Sie zog die Brauen noch dichter zusammen. Für ihre zwölf Jahre war Annabelle Lee blitzgescheit – Menschen allerdings waren ihr oft ein Rätsel. Häufig erwischte ich sie dabei, wie sie mich anstarrte, als betrachte sie mich unter dem Mikroskop.
    Als untersuche sie mich. Ich konnte nur hoffen, dass sie aus meinen Fehlern genug lernte, um eigene zu vermeiden. » Du willst wirklich spazieren gehen? «
    » Ja. «
    » Allein? «
    » Ja. «
    Die Haustür ächzte unter dem Druck der nächsten Sturmböe.
    » So was belebt « , beteuerte ich, schlang mir den Schal um den Hals und krönte das Ganze mit einer dicken Wollmütze.
    » Gut. Ich geh ins Bett. «
    Ich war kaum draußen auf der Veranda, als ich Catherines heulenden Ruf vernahm. Wie hatte ich mich nur sorgen können, den Wind mit dem schwingenden Ton zu verwechseln, mit dem sie die Welt behexte, wenn sie die Wolfshaut trug.
    Ich folgte dem Ton den kleinen Abhang hinter unserem Haus hinunter bis zum Waldrand, wo sich das Dunkel verdichtete und wie frisches Laub um die herbstlich kahlen Baumkronen legte.
    » Catherine? «
    Im Wald verstummte jedes Geräusch.
    Der Wind legte sich.
    Das Zittern der wenigen Blätter an den Ästen erstarb und mir kroch ungeachtet der Schichten von Kleidung eine eisige Kälte den Rücken hoch.
    » Catherine? « , flüsterte ich von Schatten eingehüllt. Stocksteif stand ich da und kam zu dem Schluss, dass dieses jedem gesunden Menschenverstand widersprechende Verhalten sehr rasch für meine Entfernung aus dem Genpool sorgen würde – falls Darwin recht hatte.
    Wenn ich mich weiter mit Werwölfen herumtreiben wollte, musste ich dringend meine Überlebenschancen verbessern. Ich fasste in die Tasche und ließ meinen glatten vertrauten Troststein aus Pietersit durch die Finger gleiten. Die vollkommene Stille zerrte an meinen Nerven. » Cat? « Wo mochte sie bloß sein? Argwöhnisch und mit aufgerissenen Augen spähte ich ins Dunkel.
    Da stand ich also völlig verwirrt in einem Wald, der im Dunkeln jede Vertrautheit verloren hatte, und rief ein Raubtier zu einem Plausch heran – jep – in der Kategorie würde ich definitiv durchfallen.

3
    Catherine!«
    Zu einem anständigen Schrei war nicht mehr genug Luft in meiner Lunge, nachdem ich zu Boden geschleudert worden war. Die Wölfin stand mit glänzenden Lefzen und s chma l zusammengezogenen, blutrot leuchtenden Augen über mir. Schwere, mit dichtem sepiabraunem Pelz bedeckte Vorderpfoten drückten in meine Magengrube und daumenlange Krallen pikten durch Jacke und Hemd bis auf die Haut.
    » Caaat « , keuchte ich.
    Sie öffnete das Maul und präsentierte eine eindrucksvolle Reihe von Reißzähnen. In diesem geifernden Gebiss lauerte der Tod, und mein Herz setzte vor Schreck aus, als sie sich herunterbeugte. Die Hitze ihres Atems schmerzte. Ich schloss die Augen.
    Sie war ein Werwolf. Ein Höllenhund, eine Bestie, ein Gestaltwandler – ein Albtraum, der mir mühelos den Kopf herunterreißen konnte.
    In Filmen gingen solche Begegnungen nie gut aus.
    Sie knurrte – ein Geräusch, das wie Pressluftgehämmer an mir zerrte.
    Dann leckte sie mich ab.
    Ein dicker, schlabbriger Hundekuss auf die Wange. Sie sprang auf, jaulte wie ein
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