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Die Nacht zum Dreizehnten

Die Nacht zum Dreizehnten

Titel: Die Nacht zum Dreizehnten
Autoren: Dr. Thomas Bruckner
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Vielleicht braucht er ein Empfangskomitee. Also los, Herr Heidmann!« Er nickte Schwester Angelika beruhigend zu, die aufgeregt hinter den beiden Ärzten hertrippelte. An der Treppe blieb Dr. Bruckner stehen.
    »Ich glaube, Sie sind aufgeregter als wir alle zusammen. Dabei hat sie«, Bruckner zeigte auf Schwester Angelika, »doch mit dem neuen Vertretungschef überhaupt nichts zu tun.«
    »Aber ich habe doch das Renommee der Klinik zu wahren. Wir möchten doch gern, daß unsere Klinik auch in Hannover einen guten Eindruck macht.«
    »Das wird sie sicherlich tun!« Bruckner mußte lächeln. »Am liebsten würden Sie mitkommen, nicht wahr?«
    »Ehrlich gesagt, ja.«
    »Na – Sie werden den neuen Professor ja bald zu Gesicht bekommen.«
    Bruckner stieg mit Heidmann die Treppen hinunter.
    Vom Vorbereitungszimmer des Hörsaales tönte ihnen jenes Geräusch entgegen, das sonst von einem ausgeflogenen Bienenschwarm ausgeht. Bruckner öffnete die Tür. Sämtliche Assistenten waren schon versammelt. Oberarzt Wagner hatte auch einen neuen Kittel angezogen. Anscheinend war er sogar beim Friseur gewesen; denn seine sonst so spärlichen Haare waren hochtoupiert.
    »Der Professor ist noch nicht eingetroffen!« Aufgeregt lief er auf Dr. Bruckner zu.
    »Es sind ja noch –« , Bruckners Augen wanderten zu der Uhr über der Tür, »zehn Minuten Zeit.«
    »Aber er ist noch nicht einmal im Haus! Ich hatte in sein Zimmer, das er im Ärztehaus einnehmen soll, einige Blumen gestellt. Heute morgen wollte ich ihn begrüßen, aber das Zimmer war noch leer.«
    »Vielleicht hat er sich verspätet? Züge haben ja manchmal Verspätungen.«
    »Aber er muß sich doch vorher die Fälle ansehen, die er vorstellen will.«
    »Wir haben nur einen Fall!« Thomas Bruckner deutete auf das Nebenzimmer, dessen Tür nur angelehnt war. »Das berühmte Emphysem, das Sie ja –«, Dr. Bruckner schmunzelte, »wohl noch in bester Erinnerung haben.«
    Über Oberarzt Wagners Gesicht lief ein ärgerliches Zucken. »Müssen Sie mich immer wieder daran erinnern! Wir hätten auch ruhig einen anderen Patienten nehmen können.«
    »Ich halte diesen Emphysem-Patienten für besonders wichtig. Wann bekommen Studenten schon einmal einen solch seltenen Fall zu sehen?«
    Die Spannung in dem Raum, in dem sämtliche Assistenten der Klinik versammelt waren, steigerte sich immer mehr, je mehr sich der Zeiger der Drei näherte.
    »Er hätte wenigstens vor dem akademischen Viertel hier sein müssen!« Theo Wagner trat von einem Bein auf das andere. Er fuhr sich aufgeregt mit der Hand über sein Haar, das die schöne Form immer mehr verlor und wieder so schütter aussah, wie es sonst immer war. Seine Brille war weit nach vorn gerutscht. Er vergaß in der Aufregung, sie auf ihren richtigen Platz zurückzubefördern, und schaute über den oberen Rand der Gläser mit seinen kürzsichtigen Augen die Assistenten an, die jetzt, als der große Zeiger endgültig auf Viertel nach Voll glitt, wie auf Verabredung ihre Gespräche einstellten und schwiegen.
    »Da kommt er!« Auf dem Flur ertönten Schritte, verhielten einen Augenblick. Die Klinke wurde heruntergedrückt. Die Tür öffnete sich leise und langsam.
    Aller Augen wandten sich der Tür zu, die jetzt endgültig geöffnet wurde. Ein Seufzen der Enttäuschung erfüllte den Raum. Es war der alte Chiron, der eintrat.
    »Was ist mit dem Professor los? Ist er nicht gekommen?« Dr. Wagner schob endlich seine Brille auf ihren richtigen Platz zurück.
    »Nein; ich dachte, er sei hier. Deswegen bin ich ja so vorsichtig hereingekommen«, erklärte der Pfleger.
    Der Uhrzeiger war bereits zwei Minuten weitergerückt. Vom Hörsaal her ertönten die ersten Unmutsbezeigungen der Studenten, die es gewöhnt waren, daß Professor Bergmann auf die Sekunde pünktlich die Vorlesung begann.
    »Was sollen wir nun machen?« Ratlos schaute Oberarzt Wagner Dr. Bruckner an.
    »Sie werden die Vorlesung wohl selbst halten müssen. Sie sind schließlich Erster Oberarzt … Bitte sehr!« Bruckner öffnete die Tür und wollte Wagner hineinschieben.
    »Aber wenn der Professor nun noch kommt?« Wagners Stimme klang ängstlich.
    »Dann ist er selber schuld. Er hätte ja pünktlich sein können.« Bruckner schob Oberarzt Wagner vollends in den Hörsaal hinein.
    Einen Augenblick lang sah es so aus, als ob Oberarzt Wagner sich umdrehen und davonlaufen wollte. Doch dann faßte er sich und trat an das Pult.
    »Meine Damen und Herren …«
    *
    Professor Bergmann und Frau
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