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Die Nacht zum Dreizehnten

Die Nacht zum Dreizehnten

Titel: Die Nacht zum Dreizehnten
Autoren: Dr. Thomas Bruckner
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Instrumente. Der Oberarzt legte sie an die Basis des Wurmfortsatzes, griff nach dem elektrischen Messer, das ihm der junge Dr. Heidmann, der bei der Operation assistierte, hinhielt. Zischend durchtrennte der elektrische Strom die Brücke zwischen den beiden Klemmen.
    Chiron, der alte Krankenpfleger, stand mit einer Schale neben Dr. Wagner. Mit einem klirrenden Geräusch fiel der abgetrennte Wurmfortsatz mitsamt der daran hängenden Klemme in die Schale hinein.
    »Ich habe eben erfahren, daß wir einen neuen Chef bekommen?« Dr. Rademacher hielt die Gelegenheit für günstig, jetzt nähere Auskunft zu erhalten.
    Oberarzt Wagner legte routinemäßig eine kreisrunde Naht um die Wurzel des abgetrennten Wurmfortsatzes. Er nahm aus der Hand der Schwester einen Catgutfaden entgegen, band den Stumpf dicht unterhalb der Klemme ab und legte drei Knoten, während Dr. Heidmann die Klemme entfernte.
    Mit einer Schere schnitt er die überstehenden Fadenenden ab. Der Assistent griff nach einer Pinzette, packte das abgebundene Stumpfende und drückte es nach innen, während Oberarzt Wagner die sogenannte Tabaksbeutelnaht zusammenzog und einen Knoten legte.
    »Wir bekommen keinen neuen Chef«, korrigierte Oberarzt Wagner Dr. Rademacher. »Es kommt nur eine Vertretung.«
    »Es muß ein entsetzlicher Kerl sein!« Der Anästhesist Dr. Phisto regulierte den Strom der Narkosegase, stand auf und schaute über die Abdeckung Dr. Rademacher an. »Dr. Wagner kennt ihn näher, nicht wahr?«
    Der Oberarzt zwängte den Darm in die Bauchhöhle zurück, zog einige Tücher heraus, die er zum Abdichten in die Bauchhöhle gestopft hatte, und ließ sie in einen Eimer fallen, der neben ihm stand. Er nahm aus Schwester Euphrosines Hand den Nadelhalter entgegen und begann, die Bauchhöhle zuzunähen.
    »Wollen Sie dränieren?«
    »Es ist wohl besser. Geben Sie einen ganz dünnen Drän.«
    Schwester Euphrosine hielt ihm die Schläuche von verschiedener Dicke entgegen. Oberarzt Wagner deutete auf einen Schlauch mittleren Kalibers.
    »Den nehme ich!«
    »Welche Erfahrung haben Sie mit diesem Professor gemacht?«
    Oberarzt Wagners Blicke ruhten auf Schwester Euphrosine, die ihm das gewünschte Rohr zurechtschnitt. »Professor Dr. Alexis Quenstadt ist ein Widerling erster Ordnung!« Er nahm das vorbereitete Schlauchende entgegen, steckte es in die Bauchhöhle hinein und ließ es an, einem Ende herausragen. »Ich war als junger Assistent an seiner Klinik beschäftigt …«
    »Wo war das?« Dr. Phisto reduzierte die Gaszufuhr. Er betätigte einen Gummiball, um den Blutdruck zu messen.
    »Am St. Nepomuk-Krankenhaus in Hannover. Das ist schon sehr lange her. Aber ich glaube kaum, daß sich Professor Quenstadt in irgendeiner Weise geändert haben wird.«
    »Meistens werden ja die Eigenschaften im Alter immer ausgeprägter«, unterbrach ihn Dr. Phisto. »Die Sparsamen werden geizig und die Großzügigen verschwenderisch.«
    »Dann steht uns ja allerhand bevor.« Oberarzt Wagner nähte den Gummischlauch an der Bauchwand fest. »Der hat uns damals alle schikaniert. Wenn Sie meinen, daß sich diese Eigenschaft noch verstärkt hat, dann gnade uns Gott!«
    »Warum hat denn Professor Bergmann nicht Sie eingesetzt?« Dr. Phisto hatte sich erhoben und beobachtete grinsend Oberarzt Wagner, der jetzt die Wunde mit Mullplatten abdeckte.
    »Warum er mich nicht eingesetzt hat?« Über Dr. Wagners Gesicht lief ein nervöses Zucken. »Ganz einfach –«, er griff nach einer Pflasterrolle und klebte Streifen über die Mullplatten, »die Vorlesungen fangen an. Ich bin nicht Professor. Da kann ich in eigner Regie keine Vorlesungen halten. Das ist wohl der Grund, warum Professor Bergmann seinen alten Studienkameraden gebeten hat, die Klinik zu leiten. So …« Dr. Theo Wagner trat zurück. Er nahm die Mütze vom Kopf, legte den Mundschutz ab und sah sich suchend um.
    »Ist denn niemand hier, der mir den Kittel aufmachen kann? Ich komme da oben nicht dran!« Er bemühte sich vergeblich, die hinteren Knöpfe seines grünen Kittels zu öffnen.
    »Heute sollte eine neue Schwester kommen. Ich weiß nicht, wo die geblieben ist. Angemeldet war sie jedenfalls. Sie wissen doch selbst, welchen Schwesternmangel wir jetzt in der Urlaubszeit haben. Können Sie denn nicht dem Oberarzt helfen?« fuhr die OP-Schwester den Pfleger an.
    »Ich muß die Patientin auf Station bringen.«
    »Gestatten der Herr Oberarzt!« Dr. Phisto hatte das Narkosegerät in die Ecke gestellt und ging auf Wagner zu, der
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