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Die Nacht zum Dreizehnten

Die Nacht zum Dreizehnten

Titel: Die Nacht zum Dreizehnten
Autoren: Dr. Thomas Bruckner
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ihm den Rücken zukehrte. Er öffnete die obersten Knöpfe des Kittels. »Geht es so?«
    Oberarzt Wagner schluckte ein paarmal. Ihn ärgerte die ironisch zur Schau gestellte Höflichkeit des Narkosearztes, aber er konnte schwerlich etwas dagegen unternehmen.
    »Sagen Sie doch bitte dem Pförtner Bescheid, daß er die Schwester sofort hierherschicken soll, wenn sie heute noch kommt. Wie das hier wieder aussieht!« Die OP-Schwester schaute sich seufzend im Operationsraum um. »Und das muß ich nun alles allein machen«, wandte sie sich vorwurfsvoll an Oberarzt Wagner, der sich umgezogen hatte und noch einmal in den OP zurückkam.
    »Kann ich was dafür!« Oberarzt Wagner rückte ärgerlich an seiner Brille. »Ich bin für Einteilungen von Schwestern nicht zuständig. Das müssen Sie Ihrer Oberschwester sagen!« Er machte kehrt und verließ den Operationsraum.
    Dr. Phisto lachte laut. »Den ärgert es aber gewaltig, daß er nicht wie früher in der Abwesenheit des Chefs hier den Alleinherrscher spielen kann.«
    »Wenn der Vertreter, dieser Professor Quenstadt, aber nun ein solches Ekel ist, dann kommen wir vom Regen in die Traufe«, meinte Dr. Heidmann.
    »Sie dürfen nicht vergessen, daß die Beurteilung eines anderen Menschen immer subjektiv von der eigenen Warte erfolgt. Ein Mensch, den Oberarzt Wagner ein Ekel nennt, kann für Sie oder für mich durchaus liebenswert sein. Wir müssen erst einmal abwarten, wie dieses –«, er grinste, »alte Ekel nun wirklich aussieht!«
    *
    »Ist es nicht herrlich, einmal nicht am Steuer eines Autos sitzen zu müssen!« Professor Bergmann lehnte sich in die Polster des Erster-Klasse-Abteils zurück. Er saß mit seiner Frau Yvonne im Zug nach Paris. »Man kann lesen, kann vor sich hinträumen, man braucht nicht aufzupassen …«
    »Viel wichtiger erscheint es mir, daß du endlich einmal keine Telefonnummer angegeben hast, unter der du in deinem Urlaub zu erreichen bist. Endlich einmal spannst du wirklich aus! Und ich habe dich den ganzen Tag unter meiner Fuchtel!«
    Der Schaffner kam. »Die Fahrkarten, bitte!«
    Professor Bergmann faßte in seine Brusttasche, zog einen Brief heraus und erschrak. »Jetzt habe ich vergessen, den Brief an den Kollegen Quenstadt abzuschicken.« Er reichte die Fahrkarten dem Schaffner, der sie entwertete und mit »Gute Reise!« das Abteil verließ.
    »Was steht denn so Wichtiges darin?« Yvonne nahm ihrem Mann den Brief ab. »Wir können ihn ja in Paris einstecken.«
    »Das ist zu spät! Ich habe geschrieben, daß die Vorlesungen erst in der nächsten Woche anfangen. Ich hatte ursprünglich nicht bedacht, daß wir ja das Universitätsfest haben und daß sich der Semesterbeginn dadurch um ein paar Tage verschiebt.« Der Professor nahm den Brief aus Yvonnes Hand und steckte ihn wieder ein. »Ich werde einfach heute abend von Paris aus anrufen. Ich muß mich für meine Vergeßlichkeit entschuldigen.«
    Yvonne umarmte ihren Mann und gab ihm einen Kuß. »Mein guter Alter …«
    »Du sprichst es aus. Eine Alterserscheinung!« Robert Bergmann zuckte mit den Schultern. »Da läßt das Neugedächtnis nach. Weißt du, daß ich mir inzwischen in der Klinik drei Brillen angeschafft habe?« Als ihn Yvonne kopfschüttelnd anschaute, erklärte er lächelnd: »Damit ist die Chance, wenigstens eine Brille zu finden, sehr groß. Auf eine von den drei Brillen stoße ich immer. Als ich nur eine besaß, war ich dauernd am Suchen. Das hat jetzt aufgehört.«
    »Hoffentlich kommt es nicht soweit, daß du dir eines Tages drei Schreibtische oder vielleicht drei Betten anschaffst, weil du nicht mehr weißt, wo eines von diesen Möbelstücken das letzte Mal stand.«
    »Ganz so vertrottelt bin ich nun wirklich noch nicht! Und ich hoffe, das wird auch niemals der Fall sein.«
    »Wissen eigentlich deine Assistenten, daß nicht der alte Professor Quenstadt, sondern seine Tochter Ariane kommt?«
    Professor Bergmann lächelte. »Nein, das soll ja die große Überraschung sein! Ich möchte wissen, was für Augen die machen, wenn eine reizende junge Frau das Kommando übernimmt. Fast tut es mir leid, daß ich nicht dabeisein kann, wenn sich Ariane Quenstadt zum erstenmal in der Klinik zeigt.«
    Der Oberkellner öffnete die Tür. »Möchten Sie sich für das Mittagessen vormerken lassen?«
    Professor Bergmann wollte zustimmen, aber Yvonne wehrte ab: »Nein – vielen Dank.«
    Als Robert Bergmann sie erstaunt anschaute, sagte sie: »Du hast in letzter Zeit bedenklich zugenommen! Ich
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