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Die Nacht zum Dreizehnten

Die Nacht zum Dreizehnten

Titel: Die Nacht zum Dreizehnten
Autoren: Dr. Thomas Bruckner
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und fahren zu diesem Restaurant. Dort versuchst du wenigstens nicht, die heutige Welt mit gestern zu vergleichen.«
    Bergmann griff nach Yvonnes Hand. »Hoffentlich hast du recht. Wir überlegen uns das, aber ich glaube schon, daß wir die Fahrt mitmachen werden. Morgen wird übrigens auch Frau Professor Ariane Quenstadt die erste Vorlesung für mich halten. Schade, daß ich nicht dabei sein kann. Ich würde sie gern einmal hören.«
    *
    Ariane hatte das Hotel, in dem sie ein Zimmer gebucht hatte, verlassen. Sie wanderte ziellos durch Kölns Straßen. Mehrmals blieb sie vor einer Telefonzelle stehen, um ihren Vater anzurufen und ihm mitzuteilen, daß sie die Vorlesung nicht halten wollte. Auf keinen Fall wollte sie noch einmal die Klinik betreten, in der dieser Bursoni lag.
    Sie ging zum Bahnhof, studierte die Fahrpläne und suchte einen Frühzug, mit dem sie nach Hannover fahren konnte. Es war besser, ihren Vater zu überraschen, als ihn vorher anzurufen und ihn darauf aufmerksam zu machen, daß sie kommen würde. Sie wußte, daß er sie unbedingt und unter allen Umständen zwingen würde, die Vorlesung zu halten. Sie wußte aber auch, daß ihr das wahrscheinlich nervlich nicht möglich wäre. Sie würde versagen …
    Sie notierte einige Züge, überquerte die Domplatte, bog in eine Seitenstraße ein und entdeckte ein Weinlokal. Sie betrat es, ging in den Keller hinunter und setzte sich an einen der Tische. Die Bedienung brachte ihr die Karte. Sie öffnete sie und deutete wahllos auf einen Wein. »Bringen Sie mir einen Schoppen davon.« Sie brauchte einen Tranquilizer. Und Wein war noch immer das älteste Beruhigungsmittel, das die Welt kennt. Seit Noahs Zeiten war es bekannt und wurde benutzt …
    »Wohl bekomm's!« Die Bedienung stellte ihr das Glas auf den Tisch. Aus den Lautsprechern ertönte leise, beruhigende Musik. Sie trank einen Schluck und fühlte sich bereits wohler. Sie freute sich darauf, morgen wieder in Hannover bei ihrem Sohn David zu sein.
    XII
    In der Bergmann-Klinik summte es wie in einem Bienenschwarm. Der erste Vorlesungstag hatte begonnen. Alle Assistenten waren neugierig, die Vorlesung dieses Professors Quenstadt zu hören, von dem Oberarzt Wagner nur Negatives berichtet hatte. Und dann kam der große Augenblick, an dem der alte Professor außerdem noch das Regime in der Klinik übernehmen sollte – auch wenn es nur für ein paar Tage war.
    Schwester Angelika warf einen prüfenden Blick auf Dr. Bruckner und Dr. Heidmann, als sie sich in ihren neuen weißen Mänteln präsentierten. Sie zupfte Heidmanns Krawatte zurecht. »Wir müssen doch alle auf Professor Quenstadt einen guten Eindruck machen«, erklärte sie. Ärgerlich schaute sie Dr. Bruckner an, der laut loslachte. »Da gibt es nichts zu lachen! So ein alter Professor legt noch Wert auf gepflegte Umgangsformen. Die heutigen Doktoren –«, die alte Schwester machte eine wegwerfende Handbewegung, »ziehen sich doch unmöglich an. Neulich sah ich mal einen in Blue jeans und einem langen Vollbart! Wie soll man als Patient zu einem solchen –«, sie verschluckte das Wort, das sie eigentlich gebrauchen wollte, »Vertrauen haben!«
    »Ich bin nur gespannt auf das Gesicht, das Sie machen  werden, wenn Professor Quenstadt erscheint.« Thomas Bruckner hatte seine Pfeife ergriffen und wollte sie anstecken. Erschrocken hob Schwester Angelika ihre Hand.
    »Sie werden doch jetzt nicht etwa rauchen! Vielleicht kommt der Professor in unser Dienstzimmer. Und wenn er Nichtraucher ist, macht das gleich den denkbar schlechtesten Eindruck!«
    Oberarzt Thomas Bruckner ließ sich von der Aufregung Schwester Angelikas nicht anstecken. Er riß ein Streichholz an, saugte die Flamme in den Pfeifenkopf hinein und blies genießerisch eine Rauchwolke von sich. »Der Professor ist Gast bei uns und hat sich nach uns zu richten, nicht wir nach ihm!«
    »Und ich habe Sie immer für den friedfertigsten Menschen gehalten, den es gibt!« Schwester Angelika schien die Welt nicht mehr zu verstehen.
    »Das bin ich auch jetzt noch. Gerade weil ich eine Pfeife rauche, bin ich ein friedfertiger Mensch. Oder haben Sie nie etwas von einer Friedenspfeife gehört?«
    Schwester Angelika gab es auf, mit Dr. Bruckner zu argumentieren. Sie deutete auf die Uhr über dem Eingang. »Ich glaube, es wird Zeit, daß Sie zur Vorlesung gehen.«
    »Wir haben noch eine Viertelstunde Zeit, aber Sie haben recht. Gerade weil ein neuer Professor kommt, soll man auch frühzeitig da sein.
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