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Die Nacht von Shyness

Die Nacht von Shyness

Titel: Die Nacht von Shyness
Autoren: Aufbau
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brauche den Sonnenaufgang gar nicht zu sehen, um zu wissen, dass Shyness anders ist. Über allem scheint ein leichtes Grieseln zu liegen, sodass ich nicht erkennen kann, was wirklich los ist. Die Menschen hier huschen hin und her, als fürchteten sie sich vor ihrem eigenen Schatten. Selbst Wolfboy wirkt nervös. Vielleicht hat er Angst, dass seine Freundin ihm Stress macht, wenn er mit einer anderen rumhängt. Vielleicht ist er mich schon leid und überlegt, wie er mich auf dezente Art loswerden kann.
    Wenn ich morgen aufwache, sind es nur noch zwei Tage, bis ich wieder in die Schule muss und alle gaffen und lachen und sich das Maul zerreißen. Genau wie heute. Ich weiß nicht, welche Blicke ich schlimmer finde, die mitleidigen oder die angewiderten.
    Ich schiebe diese Gedanken beiseite. Heute Abend will ich Spaß haben, nicht in Selbstmitleid zerfließen.
    Im Vorraum ist jetzt niemand mehr, also lege ich einfach die Wange an die Vliestapete. Ein Kerzenleuchter schickt flackernde Lichtfetzen durch den Raum. Ich setze mich auf einen beängstigend zierlichen Hocker vor einem der Marmortischchen und betrachte mich im Spiegel.
    Was ist in mich gefahren, den Pub mit einem Wildfremden zu verlassen, dem wildesten Fremden, der mir je begegnet ist? Ich hab keine Ahnung, ob der Hauch von Gefahr, der ihn umgibt, nur eine Masche ist oder echt.
    Ich lächle in mich hinein.
    Er ist so scharf!
    Wenn die Mädchen aus der Schule mich in dieser Nobelbar mit so einem scharfen Typ sehen könnten, würden sie vor Neid kotzen.
    Bloß schade, dass ich völlig ramponiert aussehe. Ich hab meine Handtasche nicht mitgenommen, kann also nicht mal mein Make-up auffrischen. Ich begnüge mich damit, meine Haare zu glätten und den verschmierten Kajal wegzuwischen.
    Ich muss mich zurückverwandeln in Wildgirl, die Furchtlose. Wildgirl ohne Vergangenheit.
    Auf dem letzten Schminktisch glänzt etwas. Ich gehe hinüber, um es anzusehen. Es ist eine goldene Kreditkarte, einsam und verlassen. Hat hier jemand gekokst? Ich streiche mit dem Finger über den Marmor. Er ist sauber.
    Die Kreditkarte ist etwas kleiner als gewöhnlich. Die FutureBank muss eine Bank in Shyness sein, jedenfalls habe ich noch nie davon gehört. Kein Name steht auf der Karte und auf dem weißen Streifen auf der Rückseite ist keine Unterschrift. Der Frau, die vorhin hier war, kann das Ding nicht gehören, denn die saß am ersten Spiegel. Ich sehe mich um und komme mir blöd vor. Die Einzigen, die mich hier anschauen, sind ein Dutzend gespiegelte Versionen meiner selbst. Ich stecke die Karte einfach in die Gesäßtasche meiner Shorts.
    Die Bäume kratzen mit ihren Zweigfingern an der Scheibe, als wollten sie hereingelassen werden. Ich schaue aus dem Fenster, in die Dunkelheit hinter der Spiegelung des Raums. Wir schweben über den Gebäuden ringsumher, segeln auf einem schwarzen Tintenmeer.Ganz am Rand des Meeres befindet sich eine Gruppe von Hochhäusern, die mich an die Plexus-Bauten erinnern. Sie sind mit erleuchteten Fenstern gesprenkelt, darüber steht ein buttergelber Vollmond.
    Ich reiße mich vom Blick in die Nacht los. Die Bar wirkt wie ein sorgfältig arrangierter Schauplatz in einem Film – zu glatt und perfekt, um echt zu sein. Ich bin die Jüngste hier. Selbst wenn ich volljährig wäre, wäre ich immer noch das Küken.
    Ich lasse mich in den Sessel gleiten und hoffe, dass ich mich zwischen den Armlehnen verstecken kann. Ich würde Wolfboy gern von der geheimnisvollen Karte erzählen, aber ich will nicht riskieren, dass jemand es mitkriegt und ich sie rausrücken muss. Man muss schon ziemlich dämlich oder betrunken sein, um seine Kreditkarte so herumliegen zu lassen.
    Die Leute gucken uns immer noch an und fragen sich bestimmt, wieso Wolfboy mit einer wie mir rumhängt, wo er sich doch einfach eine von den Frauen hier aussuchen könnte. Seltsamerweise werfen ihm sogar die Männer bewundernde Blicke zu. Er ist scharf, ja, aber sogar ich erkenne, dass sein T-Shirt an einigen Stellen ausgefranst ist, und er sieht aus, als hätte er schon eine ganze Weile nichts gegessen, nicht geschlafen und nichts Vernünftiges gemacht. So, wie ihn alle anglotzen, könnte man meinen, dass sie am liebsten auch schlaflos und hungrig wären.
    »Was ist das hier für ein Laden?«
    »Der Raven’s Wing.« Wolfboy wirkt erstaunlich unbefangen in seinem Brokatsessel und der luxuriösen Umgebung. Sein Gesicht ist jungenhaft, aber der Rest, dieHaare und die Muskeln, gehören zu einem älteren
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