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Die Nacht von Shyness

Die Nacht von Shyness

Titel: Die Nacht von Shyness
Autoren: Aufbau
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Klo.«
    Es ist eine von diesen automatischen Toiletten, sie befindet sich neben einem atomkraftwerkhellen Miniladen. Aus irgendeinem Grund ist der Laden von einem großen Metallkäfig umgeben, mit dem er so aussieht, als hätte er ein gewaltiges kieferorthopädisches Problem.
    »Da kannst du nicht rein.« Wolfboy klingt entsetzt. Ich würde gern mal sehen, wie er mich aufhalten will. Ich hüpfe zur Tür.
    »Echt nicht. Die ist bestimmt von Fixern benutzt worden.« Wolfboy packt mich am Arm und führt mich von der Toilette weg, die tatsächlich so wirkt, als wäre sie für Cyborgs gedacht. »Ich kenne eine Bar hier in der Nähe, wo du auf die Toilette gehen kannst.«
    »Wie weit?«
    »Auf der anderen Straßenseite. Höchstens eine Minute.«
    Obwohl ich mich nicht aufrichten kann, schaffe ich es irgendwie, mit Wolfboy Schritt zu halten. Wir überqueren die Grey Street und biegen dann in eine kleine Einbahnstraße nach Panwood ein. Wie Wolfboy gesagt hat, bleiben wir schon bald vor einem unscheinbaren Eingang stehen, die einzige Unterbrechung in einer massiven Backsteinmauer.
    Ich spähe zur Tür hinein ins Treppenhaus. »Von Treppen hast du nichts gesagt. Es kann sein, dass gleich alles zu spät ist.«
    Wolfboy verdreht nur die Augen, dann fasst er mich wieder am Ellbogen und zieht mich nach oben.
    »Das ist alles deine Schuld.« Wenn ich weiterrede,denke ich vielleicht nicht die ganze Zeit daran, wie nötig ich muss. »Hättest du mich nicht so mit Bier abgefüllt, hätten wir das Problem jetzt nicht. Man könnte meinen, dass du die arme, wehrlose minderjährige Fremde betrunken machen wolltest.«
    In einem abgedunkelten Vorraum endet die Treppe abrupt – und damit auch meine Schimpftirade. Alle Geräusche sind verschluckt und durch kultivierte Stille ersetzt worden. Ein Mann in Schwarz taucht wie aus dem Nichts auf und öffnet uns die Tür. Drinnen werden wir von einem weiteren Kellner begrüßt, der uns in den Raum geleitet.
    Die Bar ist superedel: über zwei Wänden riesige Rundbogenfenster, schwarze Kerzenleuchter, Ledersofas, eine Plexiglastheke, beleuchtet wie das Mutterschiff einer Flotte.
    Ich bin sprachlos. In ganz Plexus gibt es nichts dergleichen. Mit einer winzigen Geste bedeutet uns der Kellner, ihm zu folgen. Ich komme mir vor, als wäre ich Teil einer Performance.
    Alle Frauen im Raum drehen sich um und starren Wolfboy an, während wir durch die Bar gehen. Mich streift ihr Blick nur flüchtig und ohne Interesse. Meine Wangen glühen, ich senke den Kopf, sodass mir die Haare wie ein Schleier ins Gesicht fallen. Wolfboy legt mir im Gehen eine Hand auf den Rücken, aber es ist eher die Berührung von jemandem, der einem kleinen Kind über die Straße hilft, als alles andere.
    Er lässt sich in einen der beiden Sessel fallen, die an einem niedrigen gläsernen Couchtisch in der Nähe eines Fensters stehen. Der Kellner wartet einige quälendeSekunden darauf, dass ich mich setze, bevor er mir einige Speisekarten in die Hand drückt und wieder geht.
    Als er weg ist, zeigt Wolfboy quer durch den Raum. »Geh zurück in Richtung Eingang und kurz vorher links rein. Da siehst du einen Flur.«
    Ich schmeiße die Karten auf den Tisch.
    Der Weg zur Toilette führt über einen Teppich, der so lang ist, dass jeder Einzelne im Raum mich in Ruhe mustern kann, jetzt, wo ich nicht mehr in Wolfboys Schatten stehe. Alle Frauen hier sind spindeldürr, unglaublich elegant und alle, wirklich alle sind schwarz gekleidet.
    Ich gehe so gerade wie möglich und ziehe das T-Shirt über meinen Marshmallowbauch. Der Teppich ist so dick, dass ich das Gefühl habe, durch Treibsand zu waten.
    Zum Glück ist die Toilette leicht zu finden. An den Seitenwänden des Vorraums sind Visagistenspiegel, solche mit Glühbirnen rundherum, und vor jedem Spiegel steht ein Schminktisch mit Hocker. Alles leuchtet golden und himbeerfarben. Vor einem Spiegel sitzt eine Frau und frisiert sich. Schnell gehe ich durch zu den Toiletten und verschwinde in der ersten Kabine.
    Ich pinkele unmenschlich lange und noch länger. Vor lauter Anstrengung anzuhalten hatte sich mein Gehirn fast ausgeschaltet. Dann ziehe ich ab und setze mich kurz auf den Klodeckel, um mich zu sammeln. Ich lehne den Kopf an die kühle Wand. Als ich die Augen schließe, dreht sich der Raum leicht.
    Ich stelle mir vor, die Grey Street bei Tag zu überqueren. Würde die Nacht sich sanft wie ein Samtvorhangüber mich senken? Oder würde der Tag sich mit einem Wimpernschlag verdunkeln? Ich
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