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Die Nacht von Shyness

Die Nacht von Shyness

Titel: Die Nacht von Shyness
Autoren: Aufbau
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interessant an dem Laden hier?«
    Wolfboy beugt sich vor und senkt die Stimme. »Der Typ, der uns die Drinks ausgegeben hat – also, ich hab den noch nie gesehen und ich bezweifle, dass er meine Band kennt.«
    Als ich mich erst mal an den Drink gewöhnt habe, schmeckt er gar nicht so übel, vor allem wenn ich ihn nicht zu lange im Mund behalte.
    »Die Leute umgeben sich gern mit Einheimischen. Dann kommen sie glaubwürdig rüber. Dafür, dass der Typ mir zugewinkt hat, kann er heute garantiert eine abschleppen.«
    »Einheimische … das sind Leute aus Shyness?«
    »Ja. Sie sind leicht zu erkennen. Man guckt einfach, wer eine Mondhaut hat.« Die Hand an der Hüfte schaut Wolfboy sich im Raum um und zeigt unauffällig auf andere Gäste. »Siehst du die beiden da drüben? Das Mädchen mit den Locken und den Typ mit dem Goatee?«
    Ich folge seinem Finger. Das Mädchen mit den Locken ist ein Porzellanpüppchen in Armyhose. Der Junge mit Ziegenbärtchen versinkt fast in seinem riesigen schwarzen Pulli. Beide haben eine so leuchtende Haut, dass ich selbst aus der Entfernung blaue Adern wie Spinnenbeine hindurchschimmern sehe.
    »Jetzt probier’s mal bei der Gruppe hier.«
    Zwei Pärchen Mitte dreißig sitzen an einem runden Tisch. Die beiden Frauen sind dünn, blass und, natürlich, schwarz gekleidet. Die Männer sehen nicht viel anders aus, nur mit kürzeren Haaren. Eine der Frauenmerkt, dass ich sie anstarre, und starrt zurück. Ein Lächeln spielt um ihre Mundwinkel. Garantiert weiß sie, dass ich unter achtzehn bin. Der Alkohol in meinem Körper macht sich bemerkbar. Der Laden hier wird immer merkwürdiger.
    »Keine Mondhaut, aber jede Menge Make-up und Designerklamotten. Das sind die aus den umgebauten Lagerhallen. Die tun so, als hätten sie auf der dunklen Seite der Stadt schwer zu kämpfen. Aber sie überqueren nie die Grey Street, nicht mal wenn ihr reinrassiger Wolfshund über die Straße läuft und auf einen Obdachlosen pinkelt.«
    Kein Wunder, dass ich den Laden hier nicht begreife. Hier gelten andere Regeln, ich habe keine Ahnung, was abgeht. So muss man sich im Ausland vorkommen: verwirrt, aufgeregt und verunsichert zugleich. Ich rutsche auf dem Sessel herum und spüre, wie sich die scharfen Kanten der Kreditkarte in meinen Po graben.
    »Ich hab auf der Toilette was gefunden«, sage ich.
    Wolfboy beugt sich vor, eine Tausendstelsekunde lang ist er interessiert, doch dann wird er von etwas hinter meiner Schulter abgelenkt. Oder von jemandem.
    Eine Frau ist an unseren Tisch getreten. Sie hat den Kopf im richtigen Winkel geneigt, so, dass sich die glänzenden Haare um ihr Gesicht schmiegen. Sie trägt einen hautengen metallicfarbenen Catsuit, dessen Reißverschluss vom Bauchnabel bis zum Hals geht. Sie ist klein, zierlich und wunderschön. Ich würde rasend gern genauso aussehen wie sie.
    »Jethro.« Sie lächelt Wolfboy an und beachtet mich nicht. »Wusste ich’s doch, dass du es bist.«
    Jethro?
    »Jethro?«, sage ich.
    Die Frau dreht sich zu mir und die Haare fallen ihr weich über die Ohren. »Ich hab mich nie daran gewöhnen können, ihn Wolfboy zu nennen.«
    Wolfboy erwidert das Lächeln nicht. »Wildgirl, das ist Ortolan. Ortolan, Wildgirl.«

fünf
    Ortolan gesellt sich zu uns. Sie zieht sich einen Lederwürfel heran, den ich für Deko gehalten hatte, nicht für einen Sitz. Als ich sie genauer betrachte, sehe ich, dass sie die Frau aus dem Toilettenvorraum ist. Mit einem Cocktail in der Hand hockt sie sich auf den Würfel. Ihre Taille ist so schmal, dass ich sie umfassen könnte. Was ist Ortolan für ein Name?
    »Wie geht’s dir, Jethro?«
    Wolfboy rutscht in seinem Sessel zurück und schlägt die Beine übereinander, er ist total angespannt. »Gut.«
    »Wie geht’s der Band?«
    »Auch gut.«
    »In letzter Zeit mal einen Gig gehabt?«
    »Nee.«
    Ortolan nickt, als hätte Wolfboy etwas wahnsinnig Interessantes gesagt. Ich schaue von ihr zu ihm und wieder zurück. Ich kriege so ein komisches Gefühl … Ortolan wirkt zu alt für Wolfboy, aber wer weiß, was an diesem seltsamen Ort abgeht? Ich kippe den Drink in einem Zug runter und verziehe das Gesicht. Vielleicht war es nicht nur meine schwache Blase, die uns hierher geführt hat.
    »Wie läuft dein Laden?« Wolfboy lässt den Blick durch den Raum schweifen, als wäre ihm ihre Antwort völlig egal.
    »Der läuft gut. Ich hab immer viel zu tun, so soll es sein.«
    Wieder entsteht eine unangenehme Pause. Ortolans Lächeln entgleitet ihr, und weil es
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