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Die Nacht von Shyness

Die Nacht von Shyness

Titel: Die Nacht von Shyness
Autoren: Aufbau
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wie lange hält das an? Es dauert bestimmt nicht lange, bis ich alles verderbe. Ich bin nicht so verblendet, mir einzubilden, nur die anderen wären schuld daran, dass ich in der Schule keine Freunde habe. Er kennt mich überhaupt nicht.
    Während ich ihm beim Schlafen zusehe, schleicht sich etwas in mein Inneres. Eine Linse gleitet weg und auf einmal sieht alles anders aus. Ich kenne ihn ja auch nicht. Wenn man die letzten siebeneinhalb Stunden wegnimmt, ist er ein Fremder.
    Das Haus ist klein und ich bekomme nicht genug Luft.
    Mir wird klar, dass ich hier nicht bleiben kann. Ich muss weg. Lieber aufhören, wenn es am schönsten ist.
    Auf der Anrichte finde ich einen Edding und ein Blatt Papier. Wolfboy regt sich nicht. Ich setze mich aufs Sofa und schreibe ihm einen Brief, bevor ich es mir anders überlege. Erst suche ich nach Worten, aber dann schreibe ich, was mir gerade einfällt. Als das Blatt voll ist, falte ich es zweimal und lege es auf die Umzugskiste.
    Ein letztes Mal betrachte ich Wolfboys schlafendes Gesicht und suche nach dem Teil von mir, der seine Hand halten wollte, seinen Arm und seine Wange berühren, seinen Mund erkunden. Doch da ist nichts. So ist es besser.
    Ich hänge mir die Ukulele über die Schulter, die Stiefel trage ich in einer Hand. Die Tür knarrt laut.
    Ich schaue mich nicht um. Schnell gehe ich den kleinen Weg zurück zur Hauptstraße, mein Bündel gegen den Bauch gedrückt. In sicherer Entfernung bleibe ich stehen und ziehe die Stiefel an. Die Temperatur draußen verschlägt mir wieder den Atem. Ich nehme einen anderen Weg, der an einem Basketballplatz und einem Spielplatz vorbeiführt. Kieswege unterteilen den Park in Dreiecke und Vierecke. In einem Viereck stehen lauter Bäume schief da wie wankende Betrunkene. Hinter dem Spielplatz sehe ich eine Straße. Ich überlege, wie weit ich wohl laufen muss, bis ich ein Taxi finde.
    Als ich die Straße erreiche, ist sie dunkel und abweisend. Ich gehe am Rand des Parks entlang, bis ich auf einen weiteren Weg stoße. Er führt mich wieder mitten in den Park hinein und ich stehe erneut an dem Brunnen.
    Ich habe völlig die Orientierung verloren, kenne weder oben und unten noch Norden, Süden, Westen, Osten. Ich schaue mich um, betrachte das sich auf bäumende Pferd über dem Becken, den Kies unter meinen Füßen und weiß nicht, was ich sehen und fühlen soll. Hier gibt es für mich im Moment nichts Anheimelndes.
    Ich setze mich an den Rand des Brunnens und starre in die Nacht. Die Bäume sind dunkle, stumme Riesen. Sie sind tot und stehen doch da, wie Sterne, die vor Tausenden Jahren ausgelöscht wurden und immer noch am Himmel funkeln.
    Ich hätte Shyness so oder so verlassen müssen. Versuchsweise stelle ich mir vor, wie Wolfboy am helllichten Tag mit dem Zug durch die Stadt nach Plexus fährt. Ich male mir aus, wie er sich in unserer winzigen Wohnung machen würde, Kekse essend mit meiner Mutter. Nein. Lächerlich.
    Mir ist zum Heulen zumute, aber heute Nacht hab ich schon genug geheult. Der stille schwarze Park hält keine Antworten bereit. Gibst es Monster in diesem Park? Gibt es Monster in Shyness oder in Plexus oder ist das alles nur in meinem Kopf?
    Links neben mir kichert es leise. Ich schaue zur Seite und sehe, dass ich mir den Brunnen mit einem Koboldäffchen teile. Einen Meter entfernt sitzt es auf dem Rand und schaut starr geradeaus. Ich schnalze mit der Zunge, um seine Aufmerksamkeit zu erregen.
    Anstatt sich mir zuzuwenden, wendet das Äffchen den Blick noch weiter ab und dreht den Kopf beinahe um dreihundertsechzig Grad, bis es mir genau in dieAugen schaut. So etwas Merkwürdiges habe ich noch nie gesehen, es ist richtig gruselig.
    Das gibt den Ausschlag. Ich stehe auf und gehe zurück zum Häuschen. Und bei jedem Schritt höre ich die Worte keine-Angst, keine-Angst .

einunddreißig
    Die Haustür ist abgeschlossen. Immer wieder drehe ich an dem Griff, als könnte ein Wunder geschehen, aber es tut sich nichts. Vorhin sind wir einfach reingegangen und ich verstehe nicht, dass sich die Tür jetzt nicht öffnen lässt. Vielleicht hat Wolfboy irgendwas an der Klinke gemacht.
    Ich muss klopfen.
    Es braucht mehrere Versuche, aber schließlich kommt Wolfboy an die Tür. Er ist immer noch verschlafen und wundert sich, dass ich vor der Tür stehe, anstatt auf dem Sofa zu liegen.
    Ich schiebe mich an ihm vorbei und sage schnell: »Tut mir leid. Ich bin raus, weil ich mal musste. Ich dachte, ich hätte die Tür offen gelassen, aber als
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