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Die Nacht von Shyness

Die Nacht von Shyness

Titel: Die Nacht von Shyness
Autoren: Aufbau
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sieht Wolfboy besorgt aus.
    »Ich sitze in der Schule in der Scheiße. Deshalb bin ich heute rausgegangen und hab gesoffen wie ein Loch. Als ich die Karte fand, dachte ich, sie wär die Lösung für alle meine Probleme: Ich hätte einfach abhauen können.«
    »Bist du von der Schule geflogen oder so?«
    »Nein, nicht so was.« Wenn ich ihm mehr erzähle, wird er dann auch meine schlechten Eigenschaften sehen? Ich atme tief durch. Wolfboy hat mir auch das Schlimmste erzählt, was ihm passiert ist. Ich schaffe das.
    »Es ist nur, dass sie mich in der Schule alle nicht leiden können.«
    »Alle? Die ganze Schule?«
    »Scheint so. Ich weiß nicht, was ich getan hab. Ich weiß, dass es mit mir manchmal nicht so einfach ist, aber trotzdem …«
    »Gab es einen Kampf?«
    »Nicht richtig, nicht körperlich. Wär vielleicht besser, wir würden uns einfach prügeln und es abhaken. Es ist hauptsächlich eine bestimmte Clique von Mädchen, aber die geben in meiner Jahrgangsstufe den Ton an. So wie die sich in psychologischer Kriegsführung auskennen, könnten sie glatt für die Regierung arbeiten.«
    Wolfboy schüttelt den Kopf. »Ich kenne dich ja noch nicht lange, aber eins weiß ich, nämlich dass du ein guter Mensch bist. Ich kann mir nicht vorstellen, weshalb jemand dich ablehnen sollte. Allein schon, wie du sofort mit Paul klargekommen bist – er ist der schüchternste Mensch der Welt – und die Piraten und den Typ im Aufzug eingewickelt hast. Warum sollte dich jemand nicht leiden können?«
    Ich lege den Kopf auf Wolfboys Arm. Er ist so lieb zu mir, dass ich gleich wieder heulen muss. Ich kann ihm nicht mehr erzählen. Zu Hause wartet immer noch alles auf mich. Bei dem Gedanken überkommt mich unendliche Erschöpfung. Ich muss zurück.
    »Können wir uns eine Weile ausruhen?«
    »Klar. Ich bin nicht müde, aber leg du dich ruhig ein bisschen aufs Ohr. Ich wecke dich dann.«
    Wolfboy zerzaust mir das Haar. Er sieht so aus, als wollte er sich vorbeugen und mir einen Kuss auf die Wange geben. Aber vielleicht zucke ich zurück oder habe einen seltsamen Gesichtsausdruck, denn er steht auf und geht weg. Er fläzt sich wieder in den Schaukelstuhl und schnappt sich einen Comic.
    Ich ziehe die Stiefel aus und lasse mich aufs Sofa sinken. Nur ein paar Minuten die Augen zumachen.

dreißig
    Im ersten Moment weiß ich nicht, wo ich bin. Unter der Wange spüre ich Leder und direkt vor meinem Gesicht ist etwas Viereckiges. Ich kann also nicht in meinem Zimmer sein. Ich versuche mich aufzusetzen, aber ich fühle mich total matschig. Ich lege mich wieder hin, bis sich der Nebel in meinem Kopf lichtet.
    Es dauert eine Ewigkeit, bis mein Hirn erwacht und mir sagt, dass ich im Haus von Paul und Thom bin. Ich muss auf dem Sofa eingenickt sein. Es ist immer noch dunkel, lange kann ich also nicht geschlafen haben. Mit einem Brummschädel richte ich mich auf. Das Nickerchen hat nicht geholfen, im Gegenteil, jetzt bin ich völlig fertig.
    Wolfboy schläft mit dem aufgeschlagenen Comic im Schaukelstuhl, die Füße hat er auf der Umzugskiste abgelegt. Mit einer Hand hält er etwas Kleines umklammert, bestimmt das Feuerzeug, und er gibt keinen Mucks von sich.
    Ich stehe auf und tapse leise zum Fenster.
    Der Park ist grünlich grau und dunkel. Hinterm Haus ist eine verdorrte Rasenfläche, durchbrochen von leeren Blumenbeeten. Am hinteren Ende ein kleiner Pavillon und eine ungleichmäßige Baumreihe. Überall Schatten; der Mond irgendwo hinter dem Haus versteckt.Mir wird klar, dass ich sehr wohl lange geschlafen haben kann: Die Dunkelheit hat nichts zu bedeuten. Ich habe mir nicht gemerkt, wie spät es war, als ich das Handy eingeschaltet habe. Wieder beschleicht mich ein Gefühl wie im Märchen. Vielleicht geht es mir wie dem japanischen Fischer, der drei Nächte lang mit schönen Prinzessinnen auf dem Meeresgrund feiert, und als er wieder hochkommt, muss er erfahren, dass sechzig Jahre vergangen sind.
    Ich trinke etwas Wasser am Waschbecken, dann finde ich mein Handy in der Rückenlehne des Sofas eingeklemmt. 5:27 Uhr. Keine neuen Nachrichten.
    Ich setze mich auf das Sofa, meine Habseligleiten auf dem Schoß, und beobachte den schlafenden Wolfboy.
    Er ist weit weg. Nur am Heben und Senken seiner Brust kann man sehen, dass er nicht tot ist. Jetzt erst fällt mir auf, wie dicht seine Augenbrauen sind.
    Zum ersten Mal habe ich Gelegenheit, über diese Nacht hinaus zu denken. Wie geht es weiter? Im Moment findet Wolfboy mich vielleicht super, aber
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