Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Nacht von Shyness

Die Nacht von Shyness

Titel: Die Nacht von Shyness
Autoren: Aufbau
Vom Netzwerk:
den Park erhebt.
    »Was hast du da eigentlich für ein Teil auf dem Kopf?«
    Sie nimmt es ab und zeigt es mir. »Es ist eine Jacke. Die lag in der kleinen Kammer. Ich fand sie cool.«
    Sie schlingt das Ding wieder um ihren Kopf und knotet die Ärmel hinten zusammen. »Das ist der Disco-Nomadenlook«, erklärt sie. »Der Hit der nächsten Saison, du wirst schon sehen.« Kein Wunder, dass sie sich mit Ortolan so gut verstanden hat. »Wohin jetzt?«
    Auf einmal sieht sie verloren aus. Ich frage mich, ob sie an die Kreditkarte denkt, die sie nicht mehr hat.
    »Du hast mich doch vorhin gefragt, wo Paul und Thom wohnen.«
    »Hm.«
    »Das ist ganz in der Nähe. Da könnten wir uns waschen und überlegen, was wir als Nächstes machen.« Ich will noch nicht wieder nach Hause. Ich weiß nicht, was ich dort vorfinden werde. Ob Blake noch da ist. Oder ob jemand anders auf mich wartet.
    Wir gehen einen der vielen Wege entlang, die strahlenförmig von dem Brunnen wegführen. Ich habe den Arm um ihre Schultern gelegt, sie umfasst meine Taille. Ich führe uns über die Eichenwiese, jetzt eher Matsch als Wiese. Ich überlege, wie lange wir wohl in Orphanvillewaren. In der Stadt muss es schon bald dämmern. Diese Nacht dauert nicht ewig, nicht für uns. Am besten ist es für Wildgirl, wenn ich sie wohlbehalten nach Hause bringe, obwohl ich es schön fände, wenn sie bleiben könnte. Jetzt fallen mir tausend Sachen ein, die ich ihr gern zeigen würde. Hätten Doktor Gregory und die Kidds uns nicht aufgelauert, hätte ich das auch tun können. Ich würde sie gern fragen, ob wir uns noch mal treffen, aber ich weiß nicht, wie.
    »Hey.« Wildgirl bleibt stehen. »Guck mal.«
    Es dauert ein paar Sekunden, bis ich sehe, was sie meint. Überall um uns herum hocken braune Fellknäuel in Habachtstellung auf der Eichenwiese.
    Koboldäffchen.
    Sie blicken uns ernst an, als wir mittenhindurch laufen, aber sie bewegen sich nicht.
    »Scheint so, als hätten sie ein neues Zuhause gefunden«, sagt Wildgirl. »Ich hätte trotzdem nichts dagegen, so einen als Haustier zu haben.«
    »Wie würdest du ihn nennen?«
    »Vielleicht Snoopy. Oder Gerald.«
    Hinter der Wiese überqueren wir die Hauptstraße. Auf der anderen Seite ist ein Steinhäuschen mit weißen Fensterläden, einem Schornstein und einer Holztür. Ich klopfe mit der Faust an die Tür, aber nichts regt sich.

neunundzwanzig
    Von außen ähnelt das Haus von Paul und Thom einem Lebkuchenhaus aus einem Märchen, von innen jedoch ganz und gar nicht. Das Haus ist Katastrophengebiet. Jemand hat auf dem Sofa geschlafen, aus zwei Stühlen und einer Tür wurde ein weiteres Bett gebaut. Auf einer Anrichte stehen ein Laptop und ein Drucker, außerdem liegt da noch jede Menge Krempel: Filzstifte, Badges, T-Shirts. Ein altmodischer Schreibtisch quillt über von Fastfood-Verpackungen und LPs. Ein Vorhang ist halb von der Stange gerissen und im Zimmer riecht es stark nach Jungs.
    »So viel zum Thema Sicherheit«, sagt Wolfboy, macht die Haustür zu und drückt auf den Lichtschalter, aber die Deckenlampe funktioniert nicht. Stattdessen schaltet er eine Tischleuchte mit buntem Lampenschirm ein.
    »Was ist das für ein Haus?«
    »Es war mal ein historisches Museum, so nach dem Motto: guckt mal, wie die Leute früher gelebt haben. Aber als die Dunkelheit kam, wurde es vergessen, bis Paul und Thom es zu ihrer Junggesellenbude erkoren haben. Witzig, oder?«
    »Ja.«
    Das erklärt die skurrile Mischung aus Antiquitätenund Jungsrequisiten. Mir fällt ein Milchkrug auf, in den eine Unterhose hineingestopft wurde. Igitt.
    »Sie sind nicht zu Hause.« Wolfboy tippt schnell eine SMS in sein Handy. »Immerhin können wir uns waschen.«
    »Ist das die höfliche Art, mir zu sagen, dass ich zum Kotzen aussehe?«
    »Du siehst super aus«, lügt er. »Aber um die Ecke gibt es ein Waschbecken, falls du eins brauchst.«
    Als ich in den Spiegel über dem Waschbecken schaue, zucke ich zusammen. Der schicke Turban kann meine zotteligen Haare nicht verbergen und ich hab Augen wie ein Panda. Die Überreste meines Make-ups haben sich verabschiedet. Statt des Pullis ziehe ich die paillettenbesetzte Jacke über das Wildgirl-Shirt. Der Kajal lässt sich mit Wasser abwaschen. Ich überlege, ob ich eine von den Zahnbürsten benutzen soll, die wacklig auf dem Waschbecken liegen, und denke gleich darauf, dass ich sie nicht mehr alle habe. Einmal ausspülen mit Zahnpasta muss reichen. Ich hauche in meine Hand und schnuppere. Quarkatem. Gut,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher