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Die Nacht im Stau (German Edition)

Die Nacht im Stau (German Edition)

Titel: Die Nacht im Stau (German Edition)
Autoren: Sylvia Smuda
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„Sven!“, sagt sie lauter. „Es geht los. Wir können gleich weiterfahren.“
    Er zuckt zusammen, öffnet schlaftrunken die Augen und versucht sich zu orientieren. Sie wiederholt ihren letzten Satz und wartet, bis er vollends wach wird.
    „Ugh ! Das ist hart!“, stöhnt er. Verschlafen dreht er ihr sein Gesicht zu. „Du bist ja schon richtig munter! Hast du denn ein bisschen schlafen können?“
    „Ja, ich war im abs oluten Tiefschlaf bis das Hupen losging.“
    Sven fährt sich mit der Hand über die Augen, dann richtet sich sein Blick nach vorne, auf die Autoschlange. Jetzt bewegen sich schon die PKWs, die nur noch etwa hundert Meter vor ihnen stehen.
    „ Fühlst du dich denn fit genug zum Fahren?“, fragt er besorgt und wendet sich wieder ihr zu.
    Sonjas Herz sch lägt heftig vor Freude. Wie fürsorglich er klingt.
    „Die dreißig Kilometer bis zur Raststä tte schaffe ich auf jeden Fall. Dort muss ich erst mal dringend auf die Toilette“, erwidert sie.
    Auf einmal wird ihr richtig mulmig zumute. Sag doch etwas, Sven, fleht sie innerlich. Lass uns doch nicht so auseinander gehen! Die vergangenen Stunden, die wir in trauter Zweisamkeit im engen Auto verbracht haben, kann man doch nicht so einfach wegwischen! Sonjas Herz flattert wie ein gefangener Vogel herum. In ihrem Kopf geht sie alle Möglichkeiten durch, ein Gedanke jagt den anderen. Soll sie etwas sagen? Nein, das wäre ein sich Anbiedern. Verzweifelt nagt sie an ihrer Unterlippe. Es bleiben nur noch wenige Minuten, bis er aussteigen muss.
    Einen Moment lang ist sie vollkommen still, spürt seine W orte bis in alle Poren, als er vorschlägt: „In der Raststätte wärmen wir uns erst mal richtig auf.“ Er nickt ihr aufmunternd zu. „Ich lade dich auf einen Kaffee ein und wenn du magst auch zu einem Frühstück.“
    Sonja fängt ihr Herz im Halse auf, atmet erleichtert durch. Versucht, einen möglichst entspannten Eindruck zu machen und erwidert: „Ein Kaffee wäre super. Ob ich allerdings schon etwas essen kann, weiß ich nicht.“
    Einen Moment lang ruhen die Augen in denen des and eren. Glücksgefühle jagen durch Sonjas Körper. Doch dann werfen beide einen nervösen Blick nach vorne. In kürzester Zeit müssen sie ihre Weiterfahrt wieder aufnehmen.
    Auf Svens Gesicht taucht so etwas wie Verzweiflung auf.
    „Du fährst mir aber nicht davon , ja?“ Seine Stimme ist belegt. „Gib mir doch deine Handynummer, falls etwas dazwischen kommt. Man weiß nie!“
    Ein heißer Schauer läu ft Sonja über den Rücken. Schnell holt sie ihr Handy aus der Tasche. „Sag mir deine Nummer, dann rufe ich dich an und du hast meine.“
    Sie wählt die von Sven genannte Verbindung und im gleichen Augenblick ertönt sein Klingelzeichen.
    Aus dem Augenwinkel sieht Sonja, wie der PKW vor ihr langsam beginnt vorwärts zu rollen. Das Auto des alten Mannes auf der rechten Spur wird von einem ADAC Bediensteten auf den Standstreifen gefahren, wo es vermutlich in Kürze aufgeladen wird.
    Ihnen bleibt keine Zeit mehr.
    „Ich freu mich drauf!“ Sonja nickt Sven zu. „Wir sehen uns am Rastplatz.“
    Er hat die Autotüre schon geöffnet und ist am Aussteigen.
    „See you . Bis gleich.“
    N och einmal wirft er ihr ein wunderschönes Lächeln zu und verschwindet nach hinten zu seinem Fahrzeug.
     
    Wie einen eiskalten Wasserguss empfindet Sonja die plötzliche Einsamkeit. Sie ist so mutterseelenallein hier in dieser winterlichen Einöde, umgeben von kalten, sterilen Karossen. Auf einmal begreift sie, wie gut die menschliche Nähe ihr in den letzten Stunden getan hat.
    Wie in Trance le gt sie den ersten Gang ein und lässt das Fahrzeug anrollen. Sven ist ja nicht weg, tröstet sie sich. Sie werden sich gleich wieder sehen. Aber er sitzt eben nicht mehr neben ihr, seine Nähe fehlt ihr.
    Wie kalt es jetzt im Auto ist! Durch Svens Aussteigen ist ein Schwall kalte Luft ins Wageninnere eingedrungen. Außerdem musste Sonja die wärmende Decke ablegen. So eingewickelt kann sie unmöglich Auto fahren. Zum Glück kann sie jetzt das Gebläse auf höchster Stufe laufen lassen, sie muss nur darauf achten, genügend Abstand zum Vordermann zu halten.
    I m Schneckentempo schiebt sich der Lindwurm von Autos durch die traumhaft schöne Winterlandschaft. Im Licht der Scheinwerfer zeichnen sich verschneite Tannen ab, weiche Hügel, weiße Häubchen auf Pflanzen oder Steinen. Wie rein, wie sauber alles aussieht.
    Sonja ist froh, dass der Verkehr so langsam rollt, so muss sie sich wenigstens
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