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Die Nacht gehört dem Drachen (German Edition)

Die Nacht gehört dem Drachen (German Edition)

Titel: Die Nacht gehört dem Drachen (German Edition)
Autoren: Alexia Casale
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aufschlagen, werden wir frieren. Dann brauchen wir etwas Warmes«, sagt sie und schiebt die Zunge zwischen die Zähne, weil sich der Faden im Stoff verheddert hat.
    »Hältst du diese Wanderung wirklich für eine gute Idee? Ich bin nicht scharf darauf, mir die Hacken abzulatschen. Du wirst das Zelten hassen. Und wir brauchen noch zwei Leute, weil Evie nicht kann.«
    Beide sehen mich an, das Gesicht zu einer entschuldigenden Grimasse verzogen. Sie haben den ganzen Tag vergeblich versucht, sich das Gerede über das Bronzeabzeichen des Duke-of-Edinburgh-Wettkampfes zu verkneifen. War das erste Treffen nicht für heute Vormittag angesetzt? Sie holen ständig das Büchlein raus, in dem alle Ergebnisse eingetragen werden müssen, blättern darin und verdrehen bei dem Gedanken an die Anforderungen seufzend die Augen. Die Wanderung soll in einem Monat stattfinden. Das ist noch zu früh für mich. Verständlich, dass sie mich nicht zu ihrer Besprechung eingeladen haben; sie glauben, damit Salz in meine Wunden zu streuen. Sie werden sich natürlich andere Leute suchen müssen. Und dann werden sie aufbrechen, und bei ihrer Rückkehr werden sie neue Freunde und Freundinnen haben, mit denen sie abhängen und über ihre Abenteuer reden können. Vielleicht haben die beiden die Nase auch bald voll und kehren vorzeitig heim. Ist natürlich gemein von mir, ihnen so etwas zu wünschen, aber weil ich heute, bei meiner Rückkehr in die Schule, nicht gerade mit Pauken und Trompeten begrüßt wurde, kann ich nicht anders.
    Es klingelt, und weil ich mich besser mit etwas beschäftigen sollte, während alle anderen draußen herumrennen und beim Sportunterricht ihren Spaß auf dem Spielfeld haben, bohre ich die Nadel in meine Stiftrolle aus Gummi und stecke sie ein. Ich glaube nicht, dass noch jemand in der Schule so blöd ist, eine Stiftrolle aus Gummi zu nähen. Mrs Poole wird das Ding also nicht vermissen.
    Sonny Rawlins sieht mich draußen im Flur und flüstert Fred James etwas zu, ohne mich dabei aus den Augen zu lassen. Er senkt den Blick auf meine Füße und lässt ihn dann langsam über meinen Körper nach oben gleiten, und als er mir in die Augen schaut, verzieht er höhnisch den Mund. Ich wende mich ab, die Tasche mit einer Hand gegen die Brust gedrückt, und zupfe mit der anderen Hand am Rocksaum. Sonny Rawlins bricht in Gelächter aus.
    Phee verdreht die Augen, Lynne schnaubt. »Jammerschade. Er könnte echt süß sein, aber er ist ein Arsch. Diesen Typen kann man total vergessen.«
    Abends frischt der Wind auf. Heult über die Marsch, jault in meinen Träumen. Der Mond scheint anfangs matt, dann hell auf mein Gesicht. Und ich habe das Gefühl, von jemandem beobachtet zu werden.
    Ich erstarre, kann aber niemanden atmen hören. Ich öffne die Augen ein wenig, aber im Flur ist kein Licht. Es kann sich also nicht um Amy oder Paul handeln, die nach mir schauen wollen. Und ich weiß, dass das Fenster zu ist, weil sich die Vorhänge nicht im Wind bauschen. Im Zimmer regt sich nichts, aber ich habe trotzdem das Gefühl, als würde mich jemand anstarren, still und stumm.
    Ich drehe mich instinktiv zum Nachttisch um. Dort steht der Drache, den Kopf auf die Vorderfüße gebettet wie eine frierende Katze. Seine Augen leuchten wie Hämatit – ein silbriger Schimmer auf tiefdunklem Blau. Er zuckt mit keiner Wimper, während wir einander betrachten, aber nach kurzer Zeit quillt ein klitzekleines bisschen Rauch aus einer seiner Nüstern.
    Ich würde gern fragen, ob ich wache oder träume. Ich öffne den Mund … dann schließe ich ihn wieder.
    Sehr weise , sagt der Drache.
    Er spricht nicht wirklich. Er bewegt jedenfalls nicht das Maul. Trotzdem weiß ich genau, was er gesagt hat, und in Träumen ist sowieso alles möglich. Ich habe seltsamerweise immer geglaubt, dass sich Drachen wie Eidechsen in der Sonne aalen würden. Man kann einen Traum natürlich nicht steuern, aber ich habe das unangenehm kribbelnde Gefühl, dass ich wider mich selbst träume. Als wäre dies überhaupt kein Traum – denn ich hätte nie gedacht, dass ein Drache die Dunkelheit mag. Nie im Leben.
    Ich betrachte den Drachen und blinzele unwillkürlich. Aber der Drache sitzt weiter da und schaut mich an.
    »Kann man im Traum blinzeln?«, frage ich mich und will die Augen zukneifen, um zu sehen, ob der Drache noch da ist, wenn ich sie wieder aufschlage. Ich habe mir einen Traum von einem Drachen zwar anders vorgestellt, aber immerhin sitzt dort ein Drache. Und er hat
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