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Die Nacht gehört dem Drachen (German Edition)

Die Nacht gehört dem Drachen (German Edition)

Titel: Die Nacht gehört dem Drachen (German Edition)
Autoren: Alexia Casale
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wieder in mir hoch, aber ich bin zu müde, um mich aufzuregen. Morgen. Morgen werde ich darum bitten, nicht auf der Kinderstation, sondern in einem ganz normalen Zimmer zu liegen. Bin ich hier etwa die erste Vierzehnjährige?
    »… glaube, deine Eltern sind beruhigt, jetzt, wo du wieder wach bist«, sagt Dr. Barstow und lächelt Amy und Paul kurz an. »Kannst du mir sagen, ob du große Schmerzen hast, Evie?«
    Ich öffne den Mund, um zu antworten, aber ich bringe nur ein trockenes Schlucken und eine Grimasse zu Stande.
    »Wie wäre es mit einem Schluck Wasser?« Dr. Barstow greift nach der Steuerung des Bettes. Ich kann spüren, wie es sich unter mir bewegt und mich dann zu einer halb sitzenden Position aufrichtet.
    Amy beugt sich mit einem Glas Wasser über mich, setzt den Strohhalm an meine Lippen. »Besser?«
    »Jaaa …« Nur ein Hauch, mehr leiser Laut als Wort. Amy lächelt trotzdem, Erleichterung und Liebe stehen ihr ins Gesicht geschrieben. Paul beugt sich über mich, auch er lächelt. Er legt Amy eine Hand auf die Schulter, und sie greift automatisch danach.
    »Und die Schmerzen?«, wiederholt Dr. Barstow. »Wo würdest du sie auf einer Skala von eins bis zehn einordnen? Wenn zehn die schlimmsten Schmerzen sind, die du dir vorstellen kannst?«
    »Vielleicht … eine sechs?« Dieses Mal ist es fast ein Flüstern. Und ich spüre das dumpfe, sonderbare Ziehen in meiner Brust. Meine rechte Hand flattert über die Decke, ertastet einen dicken Verband unter dem Krankenhaushemd.
    »Vorsichtig. Ganz vorsichtig.« Amy zieht meine Hand fort.
    »Ich werde etwas Schmerzlinderndes besorgen«, sagt Dr. Barstow, die in meiner Krankenakte eine Seite umblättert und etwas notiert. Sie klappt die Akte zu, hängt sie wieder an das Fußende meines Bettes und wirft einen Blick auf den links von mir stehenden Monitor.
    Mein Blick folgt dem Kabel, das sich im Bogen bis auf den Fußboden senkt und danach zu meinem Bett aufsteigt, bis zu meinem Finger und dem flachen Clip. Damit messen wir den Sauerstoffgehalt, sagte die Krankenschwester, als sie den Clip anbrachte. Ich denke nur ungern an den Schlauch, der sich über meinen Handrücken ringelt, an das komische, steife Gefühl im Handgelenk, verursacht durch die Medikamente, die durch den Schlauch in mich hineinströmen.
    Ich versuche, mich trotz Zerstreutheit und Trägheit wieder auf Dr. Barstow zu konzentrieren. »Wenn es übermorgen immer noch so gut aussieht, darfst du nach Hause«, sagt sie.
    Amy strahlt mich an. »Wir sind bestens vorbereitet, Evie. Jede Menge neuer DVD s.«
    »Zuerst musst du wieder auf die Beine kommen«, sagt Dr. Barstow, aber sie ist nicht ganz bei der Sache, weil sie gerade etwas in ihrer Tasche sucht. »Die Schwestern werden das morgen oder übermorgen mit dir besprechen. Hier, schau mal – möchtest du das behalten?«
    Sie stellt eine kleine Glasflasche auf den Rolltisch vor meinem Bett, darin eine sonderbare Mischung aus Grau, Weiß und Rosa. Fast wie ein Finger. Meine krümmen sich reflexartig, aber sie sind alle noch da.
    Amy und Paul runzeln verdutzt und beunruhigt die Stirn.
    » Das ist die Rippe, die dir so viel Ärger gemacht hat. Auf jeden Fall ein Teil davon.«
    Amy windet sich. Paul erstarrt und verzieht das Gesicht. Ich sehe, dass er den Mund öffnet, als wollte er etwas sagen – verärgert. Dann zuckt er nur mit den Schultern. Augenbrauen und Mundwinkel beben, aber er kneift die Lippen zusammen, wirft Dr. Barstow einen kurzen Blick zu.
    »Dieses Stück war vollkommen avaskulär – mausetot. Das wäre nie wieder verheilt. Und weil es so weit unten in deinem Brustkorb sitzt – saß –, brauchst du es nicht. Es wäre nicht ratsam gewesen, es dort zu belassen. Wir mussten es entfernen. Außerdem wirst du so keine Schmerzen mehr haben. Nachdem die Wunde verheilt ist, meine ich. Ich besorge jetzt ein Schmerzmittel für dich. Bin gleich zurück.«
    Sie tauscht ein höfliches Lächeln mit Amy und Paul. Ich sehe wieder das Glasfläschchen an. Und meine Rippe darin. Mir kommt der Gedanke, dass ich entsetzt, dass mir übel sein müsste. Aber das ist nicht der Fall. Ich bin nur neugierig. Noch ein Teil von mir, den ich verloren habe.
    Ich lächele und ziehe die Füße zu mir ran, um Onkel Ben Platz zu machen, als er wieder ins Wohnzimmer kommt. Er tätschelt meinen Knöchel und setzt sich dann zu mir, neben den Tisch mit den Getränken, Medikamenten und Taschentüchern, den Amy vor das Sofa gestellt hat. Ich habe fünf Kissen im
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