Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Nacht des schwarzen Zaubers

Die Nacht des schwarzen Zaubers

Titel: Die Nacht des schwarzen Zaubers
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
interessant machen. Der Krieg ist kein Abenteuer, er ist ein Verbrechen!«
    Es war also selbstverständlich, daß in diesen vierzehn Tagen, da Volker im Krankenhaus lag, auch Titus Hansen nicht selten an seinem Bett saß und die neuen Dias von der Reise zu den Seychellen zeigte. »Das ist ja wie im Paradies«, meinte Volker und sah seinen Vater mit großen Augen an. Glänzende Augen, das latente Fieber der Leukämie. Baumanns Herz begann heftig zu hämmern. »Da möchte ich mal hin, Paps.«
    Später saßen sie in einem kleinen Café, dem Krankenhaus gegenüber, und tranken ein Bier. Draußen war es heiß, der Sommer meinte es heuer besonders gut mit den Sonnenhungrigen.
    »Ich muß dir etwas sagen, Titus«, begann Baumann mit belegter Stimme. »Wegen Volker.«
    »Ich weiß es.« Hansen blickte hinüber zu dem langgestreckten Klinikbau. »Ich habe mit dem Chefarzt gesprochen. Ich wußte es vor dir, Alex.«
    »Du kennst doch alle berühmten Ärzte, Titus.« Baumann schluckte. »Wohin mit Volker? Wo hat er eine Chance? Und wenn's nur eine kleine ist.«
    »Alex.« Hansen knöpfte das offene Hemd noch weiter auf. Auch ihm wurde plötzlich alles zu eng. »Ich bin über die Mittel informiert, die auf dem Markt sind. Man kann's nur hinauszögern. Alex, wir müssen durch! Weißt du noch, wie oft wir das im Boot auf Tauchstation gesagt haben? Wir müssen durch!«
    »Volker ist kein U-Boot!« sagte Baumann heiser. »Wir können doch nicht herumsitzen und zusehen!« Er schob das Bier zur Seite und wischte sich mit beiden Händen übers Gesicht. »Ich möchte am liebsten alles wegwerfen.«
    »Und dann?«
    »Mit dem Jungen durch die Welt fahren. Er hat noch zwei Jahre, Titus! In zwei Jahren kann man viel sehen. Er steckt voller Sehnsucht nach fremden Ländern, und du hast daran mit deinen Erzählungen eine hübsche Portion schuld. Ich habe in den letzten Tagen und Nächten viel Zeit gehabt, darüber nachzudenken. Der Junge soll noch zwei glückliche Jahre haben. Er glaubt noch an verborgene Paradiese – also gut, suchen wir ein Paradies. Wenn … wenn er schon sterben muß …« Es war fürchterlich, das auszusprechen. »Dann soll er glücklich sterben.«
    »Weiß Marga das schon?« fragte Hansen leise.
    »Nein. Ich habe noch nicht die Kraft gehabt, ihr das zu sagen.«
    Baumann sah Hansen an. »Wie ist es auf den Seychellen, Titus?«
    »Wieso?«
    »Volker hat vorhin gesagt, daß er gern dorthin möchte. Was hast du ihm von den Inseln erzählt?«
    »Die weißen Sandstrände, die seltenen schwarzen Papageien, die großen Vanille-Plantagen, die Fischschwärme im glasklaren Meere, die Riesenschildkröten … Alex, du kennst sie doch. In den Gewässern haben wir doch einen französischen Frachter versenkt.«
    »Mein Gott, das war vor dreißig Jahren! Aber heute?«
    »Eines der letzten Paradiese, aber wer weiß, wie lange noch? Schon baut man Bungalow-Hotels auf Mahé, der Hauptinsel. Aber es gibt noch dreißig unberührte Inseln in der Nähe.«
    »Wenn wir mit den Seychellen anfangen, Titus?« sagte Baumann und blickte auch hinüber auf das lange Klinikgebäude.
    »Du bist verrückt, Alex!« Hansen trank schnell sein Bier. »Das ist eine Flucht vor den Realitäten!«
    »Nein, das ist eine Flucht aus diesem Scheißleben mit seiner Hetze, seinem Nach-allen-Seiten-Boxen, seiner Verlogenheit, seinem ewigen Strampeln, um an der Erfolgssonne zu bleiben! Was bleibt am Ende? Die große Frage: Wozu? Ich habe es satt, Titus.« Baumann starrte vor sich hin, sein Gesicht war plötzlich zerfurcht und alt. »An dem Sonntag, da Volker zusammenbrach, ist auch in mir etwas zerrissen. Und auch dafür gibt es keine Medizin. Ich weiß, wenn das jeder machen würde, erlebten wir die größte Völkerwanderung aller Zeiten. Trotzdem, ich hab's satt! Ich spreche noch heute abend mit Marga.«
    »Überleg es dir, Alex«, sagte Hansen beschwichtigend.
    »Da gibt es nichts mehr zu überlegen. Wenn ich dem Jungen noch zwei glückliche Jahre schenken kann …« Er warf die Hände vors Gesicht und begann plötzlich heftig zu schluchzen.
    Es war schon spät, als Baumann endlich den Mut fand, mit Marga darüber zu sprechen. Claudia war längst zu Bett gegangen. Das Fernsehprogramm war zu Ende … sie saßen sich gegenüber, schweigend, und blickten aneinander vorbei. Es war Marga, die zuerst etwas sagte. »Übermorgen wird Volker entlassen. Die Ärzte meinen …«
    »Marga«, sagte Baumann und betrachtete verlegen seine Hände. »Ich muß dir etwas erklären
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher