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Die Nacht des schwarzen Zaubers

Die Nacht des schwarzen Zaubers

Titel: Die Nacht des schwarzen Zaubers
Autoren: Heinz G. Konsalik
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haben wir die Auswahl. Geht schon voraus, entschuldigt uns beim Kapitän. Ich suche den Bengel.«
    Nach einer knappen Viertelstunde fand Baumann seinen Sohn. Er saß in einem Liegestuhl unter einer der durch einen Drahtkorb geschützten Decklampen auf dem Spieldeck und hatte eine Zeitung auf den Knien. Unbewegt sah er hinaus auf das im Abendlicht rotgolden schillernde Meer, und er rührte sich auch nicht, als Baumann zu ihm trat.
    »Wo hast du die Zeitung her?« fragte Baumann. Seine Stimme verriet die große Angst, die Sorge.
    »Ein Schiffsjunge hat sie mir gegeben. ›Bist du das‹, hat er gefragt. Ich wußte gar nicht, was er meinte.« Es klang nüchtern und klar, ohne eine Spur von Erregung oder Verzweiflung.
    »Jetzt … jetzt weißt du es.«
    »Ja, Paps.«
    Baumann setzte sich in einen Liegestuhl, nahm die Zeitung von Volkers Knien und warf sie über die Reling. Sie entfaltete sich und flatterte wie ein großer heller Vogel über das Meer, das inzwischen ein tiefes Violett angenommen hatte.
    »Ich habe keine Angst, Paps«, sagte Volker plötzlich. »Warum habt ihr es mir nicht gesagt? Hast du deswegen alles verkauft? Nur für mich, nur wegen der zwei Jahre?«
    Baumann nickte. Die Gelassenheit seines Sohnes, diese nüchterne Sprache, mit der er das Unbegreifliche ausdrückte und darüber zu diskutieren begann, versetzte ihn in ein Gefühl der Ohnmacht. »Das mit den zwei Jahren ist natürlich Quatsch!« sagte Baumann rauh. »Solche Prognosen stimmen nie.«
    »Dann eben drei Jahre. Aber du glaubst doch dran, Paps. Wären wir sonst auf dem Weg zu den Seychellen?« Er lehnte sich zurück und schlug die Beine übereinander. Baumann starrte ihn an, unfähig, darauf zu antworten. Vom großen Speisesaal wehte jetzt Musik bis zu ihnen herauf. Das Essen wurde aufgetragen, Kapitän Thorndson hatte die Passagiere begrüßt, und nun spielte die Bordkapelle Wiener Walzer. Als Tafelmusik erklang soeben ›Freut euch des Lebens …‹
    »Ich glaube nicht daran!« sagte Volker unheimlich nüchtern und völlig entschieden. »Ich habe über Leukämie einiges gelesen, in Illustrierten und so. Nicht alle sterben daran.«
    »Natürlich nicht.« Baumann suchte verzweifelt nach Worten. »Du auch nicht! Und ich habe in Deutschland nicht alles aufgegeben, um mit dir zwei Jahre lang herumzureisen. Nein, deine Mutter und ich – wir haben das genau überlegt. Man kann auch woanders glücklich sein. Es muß nicht unbedingt Essen sein.«
    »Natürlich, Paps. Das hat Onkel Titus auch immer gesagt. Jetzt freue ich mich doppelt auf die Seychellen.« Sie erhoben sich aus ihren Liegestühlen, hakten sich unter wie gute Freunde und stiegen die breite Treppe zum Hauptdeck und zum Speisesaal hinunter. Arm in Arm betraten sie den Saal – für Uneingeweihte ein Bild des stolzen Vaters mit seinem fast erwachsenen Sohn, der eine im Smoking, der andere in einem dunkelblauen Samtanzug. Und jeder wußte vom anderen, daß er log, daß er, so gut es ging, seine Maske trug, bis dann die Wahrheit sie eines Tages erbarmungslos von den Gesichtern riß.
    Es war ein stillschweigender Kompromiß zwischen ihnen, dieses große Lebenstheater zumindest mit etwas Fassung durchzuspielen.
    Während die Öresund noch an der Westküste Afrikas entlangschaukelte und die Passagiere mit Bordfesten, Äquatortaufe und Filmvorführungen unterhalten wurden, landete Titus Hansen auf der ins Meer hinausgebauten neuen Piste von Mahé. Der BOAC-Jet, der hier jeden Sonntag landete, wurde noch wie ein Ereignis gefeiert. Die Insulaner in ihren bunten Gewändern standen scharenweise hinter den Absperrungen des Flugfeldes, Menschen aller Hautfarben, weiße, braune, schwarze und gelbe, in zwei Jahrhunderten zusammengewürfelt, nachdem französische Siedler mit afrikanischen Sklaven um das Jahr 1750 etwa die einsamen Inseln in Besitz genommen hatten.
    Vor dem neuen Flughafengebäude wartete neben den alten klapprigen Taxis und einem Lastwagen, auf dessen Ladefläche man Bänke gestellt hatte und der somit in einen Bus verwandelt war, auch eine schwarze Limousine mit dem Kennzeichen der Regierung.
    Titus Hansen zeigte an der Sperre seinen Paß. Der kaffeebraune Soldat winkte großzügig, zeigte auf einen Mann, der in der kleinen Halle herumstand, und sagte: »Sie werden erwartet, Sir.«
    »Erwartet? Ich?« Hansen betrachtete den wartenden Mann. Dunkler Anzug, ein Mischling – teils Neger, teils Chinese – offenbar sehr auf Distanz bedacht, was die anderen Eingeborenen betraf, die jetzt
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