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Die Nacht des schwarzen Zaubers

Die Nacht des schwarzen Zaubers

Titel: Die Nacht des schwarzen Zaubers
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Windstille.
    Von Dr. Ranks Haus her ertönte jetzt das Schmettern der Trompete. Dylon zuckte zusammen: das alte Marine-Signal ›Alles sammeln!‹ Dann das längst vergessene ›Fertig zum Kampf!‹
    »Wir haben keine Zeit mehr!« sagte Dylon noch einmal. Er faßte Marga um die Hüfte und zog sie mit sich fort. Claudia half mit, und jetzt folgte Marga gehorsam, beinahe willenlos, das rätselhafte Meer anstarrend, dessen Gewoge immer unheimlichere Formen annahm.
    Am Dorfstrand nahm sie Dr. Rank in Empfang. Er hatte gerade Balolonga, der bis jetzt unbeweglich vor seinem Haus gesessen hatte, den Hut – seinen ganzen Stolz – vom Kopf geschlagen und ihn angebrüllt, daß er als Bürgermeister schließlich für sein Dorf zu sorgen habe. Da erst bewegte sich Balolonga, und er stand jetzt bei den letzten Booten, die vom Strand abstießen. Die Hütten standen leer, die Türen pendelten in den Angeln, Hunde, Katzen, Hühner, Schweine, Schafe, kleine Rinder und Bergziegen irrten herum, sie wagten sich bis ans Meer und drängten sich am Strand zu einem lärmenden Haufen zusammen. Der Urinstinkt der Kreatur, wenn Gefahr droht. Aber hier, am Meer, war ihre Flucht vor dem Unabänderlichen zu Ende. Die Menschen flüchteten … ob die Tiere spürten, daß es für sie kein Entrinnen mehr gab?
    »Ins Boot!« schrie Rank. Er zerrte Marga über den kleinen Steg, den man extra für die Motorboote gebaut hatte, und brüllte Claudia an, die stehenblieb und Dylon nachblickte, der zurück zu seiner Funkbude rannte. »Er kommt auch! Claudia, benimm dich nicht wie ein dummes Huhn!«
    »Volker!« sagte Marga tonlos. »Wo ist Volker?«
    »Bereits an Bord des zweiten Bootes! Wir haben ihn am Riff aufgeladen. Tomamai ist bei ihm. Los! Das Meer wird von Minute zu Minute verrückter! So etwas habe ich noch nie gesehen …«
    Verzweifelt versuchte Dylon, mit Baumann und Hansen in Kontakt zu kommen. Aber das kleine U-Boot meldete sich nicht. Es war die Zeit, in der sie unter Wasser fuhren, um Dieselöl zu sparen und dafür die E-Maschinen einsetzten. Dylon funkte so lange, bis Dr. Rank die Tür der Funkbude aufriß. »Schluß jetzt, mein Junge!« rief er. »Wenn wir noch heil durchs Riff wollen, ist es jetzt höchste Zeit!«
    »Sie melden sich nicht!« sagte Dylon. »Sie werden genau auf die Insel zukommen!«
    »Halt's Maul!« Dr. Rank drückte den Sendehebel herunter. »Sag den Frauen, du hättest mit ihnen gesprochen. Sie bleiben draußen! Junge, lüg jetzt mit all deinem Charme – an der Wahrheit könnte Marga zerbrechen! Und jetzt ist ›die Wahrheit sagen‹ wie ein Verbrechen!« Sie rannten hinunter zum Ufer, liefen über den schwankenden Steg und blickten mit eisernen Gesichtern aufs Meer hinaus, das weiß wie Seifenschaum war. Weit draußen schwammen die Eingeborenenboote. Die Paddel waren in Bewegung, denn der Wind schwieg. Und in das Schweigen hinein rollten die Wellen dröhnend gegen das Land, emporgetrieben von einer unerklärlichen, unheimlichen und unsichtbaren Gewalt.
    Die letzten Eingeborenen von Aimée schleppten Säcke und Kisten auf das Motorboot: Konserven, Wasser, Kokosnüsse, Werkzeuge – das Nötigste, um ein paar Tage zu überleben. Dann hockten sie sich hinter den kleinen Aufbau des Steuerstandes und warteten. Dr. Rank und Fred Dylon liefen an Bord und warfen die Leinen los. Der Motor brummte auf, das Boot stieß hinaus in die Lagune und in das schäumende Meer.
    Und genau in diesem Augenblick begann das Grollen wieder, tief unten vom Boden der See, das ganze Land durchzitternd. »Gott steh uns bei!« sagte Dr. Rank plötzlich heiser. »Ich fange wieder an, unseren Herrgott zu fürchten.«
    Die ganze Nacht kämpften sie gegen immer höher schlagende Wellenberge. In der Morgendämmerung sahen sie Aimée nicht mehr, aber das Meer brüllte, und die Wogen schlugen über den beiden Motorbooten zusammen. In den Ruderhäusern standen Fred Dylon und ein Eingeborener. Sie hatten sich mit Tauen festgebunden und versuchten, die kleinen Boote so zu halten, daß sie von den Wellen nicht erschlagen, sondern getragen wurden.
    Was aus den vielen Eingeborenenbooten und aus der Flotte der Katamarane und Auslegerkähne geworden war, wußte niemand. Sie waren in den Wellentälern verschwunden, zerstreut, vielleicht umgeschlagen, vielleicht zersplittert oder von urgewaltigen Kräften zerfetzt.
    Balolonga saß im ersten Motorboot und starrte auf den Horizont, wo seine Insel liegen mußte. Sathra war zu keinem der Boote gekommen, sie blieb
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