Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Nacht des schwarzen Zaubers

Die Nacht des schwarzen Zaubers

Titel: Die Nacht des schwarzen Zaubers
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
was!«
    Hansen nickte. Was sollte er noch sagen? Der Dieselvorrat reichte nicht mehr bis nach Douceur. Eine Unterwasserfahrt war bei dem verrückten Meer unmöglich. Man konnte die Wellen nicht unterlaufen, sie kamen wirklich von unten, es war, als hebe sich das Meer, als koche es über, als verändere sich der Meeresboden und schleudere dabei einen Ozean in die Luft.
    »Man hat nie von Seebeben in diesem Gebiet gehört«, sagte Hansen endlich. Neue gewaltige Wellen rissen das Boot mit sich hinauf und hinab. Die beiden Männer klammerten sich an ihren Sitzen fest und zogen die Köpfe ein, um nicht gegen die Stahlwände zu prallen. »Aber das muß eines sein!« Sie sahen sich nur an, und sie verstanden sich sofort.
    »Was ist mit Aimée geschehen? Wo lag das Zentrum des Bebens? Warum schweigt Fred Dylon?«
    »Ich wehre mich dagegen!« sagte Baumann tonlos. »Ich wehre mich, dran zu denken, daß unsere Insel …« Er schwieg und schloß die Augen. Marga, dachte er. Wenn dir und den Kindern etwas passiert ist, hat das Leben für mich allen Sinn verloren. Man sagt das so leicht dahin: Ich kann ohne dich nicht leben! Es klingt unglaublich sentimental, man lächelt darüber, aber wenn die Situation eintritt, wenn du und die Kinder, wenn ihr alle … Gott im Himmel, verzeih mir, aber dann mach ich auch Schluß! Warum soll ich weiterleben? Allein in einer Welt, die mir all das genommen hat, was das Leben sinnvoll macht. Jeder Mensch ist ersetzbar, auch das sagt man so leicht dahin. Wer könnte mir Marga, Claudia und Volker ersetzen? Wie könnte ich jemals wieder einen anderen Menschen so lieben wie sie? Hier beginnt die Liebe unbegreifbar zu werden, unerklärbar, unfaßbar. Hier beginnt ein Mysterium, dem wir uns beugen müssen. Nein, es gibt kein Leben ohne sie …
    »Das Seebeben kann ganz woanders sein!« sagte Hansen plötzlich. Er wußte, wie wenig überzeugend seine Stimme klang. Draußen brüllte das Meer und hieb mit tausend Fäusten gegen die Stahlplatten des U-Bootes. Ab und zu stellte Hansen die Motoren wieder an und fuhr eine kleine Strecke gegen die irrsinnige See.
    Noch einen Tag, dachte er. Dann müßten wir in der Nähe von Aimée sein. Es hat keinen Sinn, nach Douceur zu laufen, wir erreichen die Insel nie. Aber werden wir jemals auch Aimée wiedersehen? Der Diesel reicht nicht aus, es sei denn, die Maschinen beginnen zu denken und saufen weniger Treibstoff, als sie brauchen.
    Zwei Mann in einem kleinen stählernen Sarg, an einer Stelle des Meeres, die weitab von den Schiffahrtswegen liegt, eine treibende Urne, die vielleicht eines Tages von irgendeiner Strömung irgendwo angeschwemmt wird, mit zwei Männern in einem engen Panzerturm, die verdorrt sind wie Strohblumen. Nicht einmal ihren Namen wird man feststellen können. – Wir haben keine Papiere bei uns.
    »Wir müssen Fahrt machen, Titus!« drängte Baumann. »Und wenn es bis zum letzten Tropfen Diesel ist. Jeder Tropfen bringt uns Aimée näher. Den Rest werden wir mit der Rettungsinsel rudern! Ich habe Angst. Mein Gott, ich habe Angst um Marga und die Kinder …«
    Hansen drehte an seinen Rädern und legte die Hebel um. Die Motoren brummten laut. »Volle Fahrt!« Er schrie es beinahe.
    »Volle Fahrt!« Baumann gab die Maschinen frei. Jetzt fressen sie Diesel, dachte er. Jetzt spielen wir um unser Leben! Aber wir kommen voran! Das Meer stemmte sich ihnen entgegen. Es schleuderte sie herum und hieb mit ungeheurer Wucht auf sie ein.
    Die Stahlplatten knackten. Es war, als biege sich die Bootshaut durch. Hansens Gesicht glich einer stählernen Maske. »Es hält!« schrie Baumann ihm zu. »Ich weiß, was du denkst! Aber das Boot hält! Es muß halten!«
    »Amen!« sagte Hansen leise. Kein Gebet konnte inständiger gesprochen werden.
    Der erste, der die Katastrophe ahnte, war Tomamai. Seit zwei Tagen beobachtete er den Himmel. Er stand am Meer und starrte auf das kaum bewegte Wasser, ging zurück in seinen heiligen Hain und betete vor seinen Holzgöttern. »Seid gnädig!« sagte er immer wieder. »Seid gnädig mit uns!«
    Am Abend des zweiten Tages legte er seinen Zauberschmuck an. Der kleine schwarze Junge, der ihm die Kessel und die Säckchen mit den geheimnisvollen Kräutern und Wurzeln trug, lud sich die ganze Last auf die schmalen Schultern. Was ihm Tomamai sonst noch gab, verstaute er auf einem kleinen Handwagen, den er hinter sich herzog. »Komm!« sagte Tomamai ungeduldig. »Es wird Zeit. Morgen sprechen die Götter, und jeder wird sie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher