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Die Nacht des schwarzen Zaubers

Die Nacht des schwarzen Zaubers

Titel: Die Nacht des schwarzen Zaubers
Autoren: Heinz G. Konsalik
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mein Haus und baue es neu auf. Ich habe mir geschworen, auf dieser Insel zu krepieren, und zwar anständig, Fred, nicht mit Hilfe eines Seebebens. Ich will wie ein normaler Mensch in meinem Bett sterben, ganz allein! Was gedenken Sie zu tun, wenn man fragen darf?«
    »Ich werde Claudia heiraten und vielleicht zur Marinebasis Mahé zurückkehren.« Dylon blickte wieder durch das Fernglas hinüber zu Aimée. »Ich werde mich auch um Marga und Volker kümmern.«
    »Danke, Fred. Sie sind ein guter Kerl!« Dr. Rank wischte sich über die Augen. »Wollen wir es gemeinsam sagen, das mit Alex und Titus Hansen?«
    »Ja. Wenn wir wieder an Land sind. Aber ich glaube, sie ahnen es. Ich brauche Marga nur in die Augen zu schauen.«
    Sie näherten sich der Barriere des Korallenriffs und fanden auch hier einen breiten Einbruch. Die Einfahrt in die Bucht war zu einem natürlichen Kanal geworden. Aber die Sandbucht gab es nicht mehr. Auch hier nur das Meer, eine breite Wasserstraße zwischen den jäh entzweiten Teilen der Insel. Das Dorf war versunken, eine neue Landschaft an seiner Stelle, so friedlich, als wäre es seit Jahrtausenden nicht anders gewesen. Nur das Meer grollte noch. Es beruhigte sich offenbar nicht so schnell von diesem neuen Schöpfungsakt.
    Vorn am Bug des zweiten Motorbootes stand Tomamai und winkte Dr. Rank zu, immer wieder auf das Deck seines Schiffes zeigend. »Ich soll rüberkommen!« sagte Rank verblüfft. »Fred, können Sie so nahe längsseits gehen, daß man rüberklettern kann?«
    »Ich will's versuchen, Doc.«
    Sie glitten mit kaum arbeitendem Motor so nahe an das andere Boot heran, daß Dr. Rank die Hand eines Eingeborenen greifen konnte und auf diese Weise einfach hinübergerissen wurde.
    »Man wird steif, Alter!« sagte er zu Tomamai. »Früher wäre ich wie ein Frosch gehüpft. Was gibt's? Ihr Zauberhain ist weg, tut mir leid.«
    »Es ist ein Zeichen«, antwortete Tomamai wie abwesend. Seine Augen, bisher das Lebhafteste in dem zerfurchten und doch alterslosen Gesicht, waren jetzt wie verschleiert. »Ein neues Leben hat begonnen, und es wird dauern bis an das Ende aller Tage. Ich werde gerufen …«
    Dr. Rank zog die Schultern hoch. Plötzlich, er konnte nicht sagen wieso, überkam ihn ein unheimliches Frösteln. »Es gibt immer einen neuen Anfang, Tomamai«, sagte er. »Solange ein Mensch atmet, hofft er und hat eine Zukunft. Jeder, auch wir …«
    »Nimm!« sagte Tomamai kurz. Er griff in einen Sack und holte einige Blätter Papier hervor. Zahlen und Zeichnungen bedeckten sie. Dr. Rank nahm die Blätter entgegen und starrte sie an.
    »Was soll das?«
    »Es steht alles geschrieben, Doc«, sagte Tomamai. »Die Namen der Pflanzen, die Orte, wo Sie sie finden können, die Mischung, wie man sie zubereitet … alles.«
    »Die Medizin für Volker?« fragte Rank mit schwerer Zunge.
    »Ja. Vielleicht noch ein halbes Jahr, dann ist sein Blut rein. Er muß das täglich zweimal trinken. Am Morgen und am Abend. Wie bisher. Werden Sie dafür sorgen?«
    »Bin ich ein Idiot?« Dr. Rank faltete die Papiere zusammen und steckte sie ein. »Aber was soll das, Tomamai? Sie leben …«
    »Ich werde gerufen!« Tomamai trat nahe an den Rand des Bootes. Er blickte hinüber zur Insel, auf die breite Wasserstraße, wo einmal der heilige Bezirk gelegen, auf die Bucht, wo einmal das Dorf gestanden hatte. Dann breitete er die Arme aus, streckte den Schlangenstab hoch in die Lüfte und warf den Kopf in den Nacken.
    »Tomamai!« brüllte Dr. Rank. »Das ist doch Blödsinn! Haltet ihn fest! Haltet ihn!«
    Mit dem Blick in die Sonne, mit verklärtem Gesicht und einem Lächeln, das schon nicht mehr von dieser Welt war, tat Tomamai den letzten Schritt und stürzte sich ins Meer. »Holt ihn raus!« schrie Dr. Rank. Von Dylon geschleudert, fiel ein Rettungsring in die Wellen … aber unter den Eingeborenen rührte sich niemand. Still standen sie an Deck und sahen zu, wie Tomamai von den Wellen fortgetragen wurde und nach wenigen Sekunden in der unruhigen See verschwand. Und als wäre damit sein Auftrag endgültig erfüllt, lichtete sich der fahle Himmel. Durch den milchigen Dunst leuchtete plötzlich das unendliche Blau.
    Dr. Rank stand am Ruderhaus des zweiten Bootes, das Gesicht gegen die lackierte Eisenplatte gedrückt. Sein Rücken zuckte. Der alte Mann weinte wie ein Kind. Dylons Aufschrei schien er gar nicht gehört zu haben. Der junge Leutnant stand breitbeinig an Deck und hantierte fieberhaft mit dem Fernglas.
    »Rechts voraus
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