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Die myrrhischen drei Könige: Roman (German Edition)

Die myrrhischen drei Könige: Roman (German Edition)

Titel: Die myrrhischen drei Könige: Roman (German Edition)
Autoren: Seth Grahame-Smith
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einen weiteren Klaps.
    » LOS !«
    Es stöhnte tief auf, sackte auf seine spindeldürren Vorderbeine und fiel dann mit einem bodenerschütternden dumpfen Aufschlag seiner gesamten fünfhundertfünfzig Kilo um.
    Tot.
    Balthasar ließ sich das einen Augenblick durch den Kopf gehen. Rückblickend hatte er es vielleicht doch ein bisschen zu hart rangenommen. Und bei genauerem Hinsehen war es keineswegs so jung, wie er ursprünglich gedacht hatte. Ganz gewiss nicht fünfzehn oder zwanzig. Ja, es war eines der ältesten Kamele, die er je zu Gesicht bekommen hatte. Wenn er es sich recht überlegte … war es ein Wunder, dass sie es überhaupt so weit geschafft hatten.
    Balthasar wusste nicht, was er sagen sollte. Teils aus Zeitdruck, vor allem jedoch, weil Aufrichtigkeit nicht gerade seine Stärke war, entschied er sich für ein knappes »Tut mir leid.«
    Da die Trauerzeit nun zu Ende war, rannte er wie der Teufel los.
    Er wusste, dass die Dorfbewohner ihn beschützen würden. Sie hassten die Römer genauso wie er. Okay, vielleicht sind das hier keine richtigen römischen Truppen, die Jagd auf mich machen – es sind Judäer. Aber wirklich, wenn man es sich einmal recht überlegt, gibt es da einen Unterschied? Sie alle nehmen ihre Befehle von Rom entgegen, genau wie Herodes der Große, diese lügnerische, schwärende, mordgierige Marionette. Wenn es eines gab, das die Juden noch mehr hassten als Augustus Caesar, dann war es der Vasallenkönig, der in seinem Namen Judäa regierte. Und wenn Balthasar an sich auch kein Jude war, war er doch gewiss kein Freund von Herodes. Das musste doch auch etwas wert sein, richtig? Der Feind meines Feindes?
    Er war der Geist von Antiochia, und die Menschen liebten Prominente. Selbst solche mit einem relativ geringen Bekanntheitsgrad.
    Nein, die Dorfbewohner würden Mitleid mit ihm haben. Sie würden ihn beschützen und verstecken, wenn das Heer jeden Augenblick ihre Türen eintrat. Und wenn Mitleid nicht ausreichte, dann würden Bestechungsgeschenke in Form eines Teils seines restlichen Schatzes ihr Übriges tun.
    Balthasar rannte über den Platz, seine Taschen halb voll mit zweifach gestohlenem Gold und Silber, Weihrauch und Seide, sein Gesicht immer noch von der Kufija bedeckt. Er hielt auf das größte Haus weit und breit zu – das einzige Gebäude mit einem zweiten Stockwerk und eines der wenigen, das aus Ziegelsteinen erbaut war. Es hatte ein Tonnendach und kleine verglaste Fenster an der Ost- und Westseite – eine Extravaganz, die man außerhalb Roms nur selten zu Gesicht bekam. Hinter dem Haus erhob sich eine weiße Rauchsäule, auch wenn Balthasar nicht ausmachen konnte, woher sie rührte. Es gehörte nicht viel strategisches Denken dazu, sich gerade für dieses Haus zu entscheiden. Ein größeres Gebäude bot mehr Verstecke. Und mehr Verstecke bedeuteten eine größere Überlebenschance.
    Doch sobald Balthasar die Schwelle überschritten hatte, wusste er, dass er ein toter Mann war.
    Er musste tot sein … denn das hier war zweifellos das Himmelreich. Überall waren nasse, nackte Frauen. Schön. Unbekleidet. Dampf erhob sich von ihren glänzenden Leibern, die Schwaden leuchteten in den Sonnenstrahlen, die oben durch die Glasfenster drangen.
    Eine Badeanstalt.
    Die glatte Oberfläche des Tonnengewölbes in sechs Metern Höhe war mit einem Gemälde bedeckt, das an Olivenbäume erinnerte, die sich zu einem wolkenverhangenen Himmel erhoben. Das Bad selbst, das den Großteil des Raumes einnahm, war von Mosaiksteinchen umsäumt. Mosaiksteinchen und den nackten Körpern von fünfzehn Frauen. Frauen, die im Moment den verstaubten Mann mit vermummtem Gesicht und gewaltigen Taschen über der Schulter anstarrten. Den Mann, der im Frauenbad nichts zu suchen hatte.
    Dies war keine Flavia-Situation. Balthasar hegte nicht den leisesten Zweifel, dass diese Frauen sofort losschreien würden, wenn er nicht schnell handelte. Er konzentrierte sich, legte einen Finger an die Lippen – psssst – und sagte mit einer Stimme, die möglichst unbedrohlich klang: »Ich bitte tausendmal um Verzeihung …«
    Er zog die Kufija herunter und zeigte sein Gesicht – eine attraktive Mischung aus Sonnenbrand und Bartstoppeln, eine markante Narbe in Gestalt eines X auf seiner rechten Wange. Er schenkte ihnen ein Lächeln. Charmant, beruhigend. Möglicherweise sogar eine Spur verwegen. Es war ein Lächeln, das er stundenlang in der spiegelnden Wasseroberfläche des Flusses Orontes eingeübt hatte, und es war, wenn
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